Stahlbetonstütze - Verfahren mit Nennkrümmung: Unterschied zwischen den Versionen

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[[Datei:Nennkrümmung Einführung.png|right|thumb|150px|Veranschaulichung des Verfahrens mit Nennkrümmung]]
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Das Verfahren mit Nennkrümmung beschreibt eine Möglichkeit der näherungsweisen Bestimmung der Schnittgrößen einer Stahlbetonstütze nach [[Theorie II. Ordnung|Theorie II. Ordnung]]. Dazu soll die Gesamtausmitte einer idealisierten Modellstütze unter vereinfachten Annahmen zum Krümmungsverlauf über die Stützenhöhe ermittelt werden.<br />
 
Das Verfahren mit Nennkrümmung beschreibt eine Möglichkeit der näherungsweisen Bestimmung der Schnittgrößen einer Stahlbetonstütze nach [[Theorie II. Ordnung|Theorie II. Ordnung]]. Dazu soll die Gesamtausmitte einer idealisierten Modellstütze unter vereinfachten Annahmen zum Krümmungsverlauf über die Stützenhöhe ermittelt werden.<br />
  

Aktuelle Version vom 11. April 2023, 16:24 Uhr

Stütze mit Lastexzentrizitäten

Das Verfahren mit Nennkrümmung beschreibt eine Möglichkeit der näherungsweisen Bestimmung der Schnittgrößen einer Stahlbetonstütze nach Theorie II. Ordnung. Dazu soll die Gesamtausmitte einer idealisierten Modellstütze unter vereinfachten Annahmen zum Krümmungsverlauf über die Stützenhöhe ermittelt werden.

Allgemeines

herausgelöste Modellstütze und Lage des Bemessungsschnittes für eine Kragstütze (A), für eine beidseitig eingespannte Stütze (B) und für eine Pendelstütze (C)

Das Verfahren mit Nennkrümmung wird vorwiegend bei rechteckigen oder kreisförmigen Stahlbetonstützen angewendet, kann aber auch andere Querschnittsformen bemessen, solange die Bewehrung annähernd symmetrisch angeordnet ist [1]. Die Modellstütze ist hierbei eine Kragstütze, die je nach vorliegendem statischem System aus der zu berechnenden Stütze gedanklich heraus gelöst wird. Die Kopfverschiebung der Modellstütze wird je nach zu erwartendem Krümmungsverlauf abgeschätzt und als zusätzliche Ausmitte in die Schnittgrößenberechnung aufgenommen.

Anwendungsbedingungen

Bedingungen für die Anwendung des Verfahrens sind ein konstanter Querschnitt über die gesamte Länge und eine planmäßige Mindestausmitte von , wobei h die Querschnittshöhe in der jeweiligen Richtung ist. Bei kleineren planmäßigen Ausmitten ist das Verfahren ebenfalls anwendbar, liefert aber wegen wachsender zu sicherer Betrachtung unwirtschaftliche Ergebnisse. Nach [2] ist außerdem eine einfach gekrümmte Verformungsfigur und eine Knicklänge von maximal dem 15-fachen der jeweiligen Querschnittsabmessung Voraussetzung für das Nachweisverfahren.

Baustatik-Wiki

Das Modellstützenverfahren eignet sich primär für Einzelstützen, kann aber bei Berücksichtigung einer realistischen Krümmungsverteilung auch für Stützen eines Gesamttragwerks angewendet werden [3].
Die Bemessung erfolgt nach Ermittlung der Gesamtausmitte entweder mit den Interaktionsdiagrammen für symmetrisch bewehrte Querschnitte oder direkt mit Interaktionsdiagrammen speziell für das Verfahren mit Nennkrümmung (auch: Modellstützenverfahren).

Schnittgrößenermittlung

Das zusätzliche Moment am Stützenfuß beträgt



mit
- dem Moment nach Theorie II. Ordnung
- der Gesamtausmitte des Stützenkopfs (mit Index total)

Die Gesamtausmitte am Stützenfuß beträgt



mit
- der planmäßigen Ausmitte
- der ungewollten Ausmitte (mit Index für imperfection)
- der Ausmitte nach Theorie II. Ordnung.

Ein zusätzliches Moment und eine daraus resultierende Verformung ergibt demnach die Ausmitte als Hebelarm multipliziert mit der Längsdruckkraft.
Die planmäßige Ausmitte ergibt sich aus:



mit
- dem Bemessungswert des Moments
- dem Bemessungswert der Normalkraft.

Bei unverschieblichen Stützen mit linearem Momentenverlauf entspricht die planmäßige Ausmitte bei unterschiedlichem Moment an den Stützenenden



mit
- der Lastausmitte am jeweiligen Stützenende.

Die Ausmitten sind mit jeweiligen Vorzeichen einzusetzen. Hierbei wird die Ausmitte im mittleren Drittel der Stütze maßgebend.

Baustatik-Wiki

Die ungewollte Ausmitte (oder auch ) berücksichtigt nicht vermeidbare und kalkulierbare Einflüsse wie etwa ungerade Stabachsen, unsymmetrisch verlegte Bewehrung oder ungewollt exzentrische Lasteinleitungen.
Sie wird pauschal zur Gesamtausmitte hinzuaddiert, wenn es zum Nachweis nach Theorie II. Ordnung kommt. Ansonsten ist sie vernachlässigbar. Bei der Summierung werden stets alle Ausmitten ungünstig in dieselbe Richtung angenommen, also mit gleichem Vorzeichen. Es gilt



mit


- dem Grundwert
im Bogenmaß
- demAbminderungsbeiwert für die Höhe (mit Index für height),
l - der tatsächliche Länge der Stütze in [m]
- der Knicklänge der Stütze

Die Ausmitte nach erfolgter Kopfverschiebung ergibt sich zu



mit
-der Krümmung
r - dem Krümmungsradius
- der Knicklänge
- einem Faktor, um Übergang der Schlankheitsgrenzwerte zu berücksichtigen
für
für
c - einem Beiwert zum Krümmungsverlauf

Der Krümmungsverlauf wird in 3 Grenzfällen beschrieben, wobei die Kopfverschiebung sich aus dem Integral des Produktes aus virtuellem Moment und Krümmung an jeweiliger Stelle x ergibt. Je Krümmungsverlauf kommt es zu Beiwerten von

- 8 bei konstantem Momentenverlauf, also auch konstanter Krümmung
- 10 bei parabelförmigem Krümmungsverlauf
- 12 bei dreiecksförmigem Krümmungsverlauf
- 16 bei hyperbolischem Krümmungsverlauf.

Hierbei wird c = 10 üblicherweise als Mittelwert der ersten drei genannten Krümmungsverläufe gewählt. Im Gegensatz zum Eurocode 2 sieht die Fachliteratur im Allgemeinen keine Wahl des Beiwertes vor und gibt c = 10 als Konstante der Formel vor.
Die Krümmung ermittelt sich wie folgt:



mit
- dem Beiwert zur Berücksichtigung der Krümmungsabnahme bei steigendem Längsdruck (mit Index für radius)
- einem kriechberücksichtigender Beiwert


- dem Bemessungswert der Stahlstreckgrenze (mit Index für Stahl und design)
- dem Elastizitätsmodel für Stahl (mit Index für steel)
d - der statische Nutzhöhe bei gegenüberliegender Bewehrungsanordnung
- bei allseitig verteilter Bewehrung
h - der Querschnittsabmessung in jeweilige Richtung
- dem Trägheitsradius der Bewehrung (mit Index für steel).

Der Beiwert ist vorerst auf Grundlage folgender Gleichung abzuschätzen, da die hierin enthaltene Stahlquerschnittsfläche zu diesem Zeitpunkt des Nachweises noch nicht bekannt ist. Es empfiehlt sich eine erste Annahme zu und einer nachfolgenden Iteration nach erstem Bemessungsdurchgang und Errechnen einer Bewehrung.



mit


- n bei maximaler Biegetragfähigkeit, es darf = 0,4 angenommen werden

- der Bewehrungsfläche.

Die Auswirkungen durch Kriechen sind bei der Berechnung nach Theorie II. Ordnung zu berücksichtigen. Sie dürfen allerdings vernachlässigt werden, wenn alle drei folgenden Bedingungen eingehalten sind:

- die Endkriechzahl
- die Schlankheit
- (mit dem Moment nach Theorie I. Ordnung).

Außerdem können sie nach [4] vernachlässigt werden, wenn sie Teil eines unverschieblichen Systems sind und an den Stützenenden jeweils monolithisch angeschlossen sind.
Bei zu vernachlässigender Kriecheinwirkung kann gesetzt werden, andernfalls gilt



mit

- der charakteristische Betondruckfestigkeit

- der Endkriechzahl, zu bestimmen nach EC2 Abs. 3.1.4
- Moment nach Theorie I. Ordnung im Grenzzustand der Gebrauchstaug-lichkeit (mit Indizes Einwirkung, quasi, permanent).

Bemessung

Nach Berechnung der Schnittgrößen nach Theorie II. Ordnung können die Interaktionsdiagramme für symmetrisch bewehrte und unter Normalkraft und Moment beanspruchte Querschnitte angewendet werden.
Alternativ dazu gibt es etwa in [5] oder [6] Interaktionsdiagramme für das Verfahren mit Nennkrümmung. Hierbei sind neben den Eingangswerten der oben genannten Interaktionsdiagramme der Quotient aus Knicklänge und Querschnittsabmessung in jeweilige Richtung und die Schlankheit erforderlich. Eine Interpolation ist möglich, allerdings reicht üblicherweise auch die Wahl der nächsthöheren Schlankheit für annehmbare Ergebnisse.

Grenzen

Das Modellstützenverfahren darf bei zweiachsiger Ausmitte getrennt für beide Richtungen angewendet werden, wenn folgende Bedingungen erfüllt sind

und

oder

mit


- dem Trägheitsradius bezogen auf jeweilige Achse.

Bei einer gehaltenen Richtung ist diese Betrachtung natürlich hinfällig.
Als zusätzliche Bedingung gilt bei (z hierbei die stärkere Achse), dass der getrennt ablaufende Nachweis der schwächeren Achse y mit einer reduzierten Druckzonenbreite geführt wird:



mit

- der planmäßigen Ausmitte
- der ungewollten Ausmitte, beide Werte im Betrag eingesetzt.


Quellen

  1. Lohmeyer, G., Baar S., Ebeling, G.: Stahlbetonbau, Bemessung – Konstruktion – Ausführung, Hannover 2012
  2. Baumgart, R.: Skript Massivbau, Darmstadt 2013
  3. DIN EN 1992: Bemessung und Konstruktion von Stahlbeton- und Spannbetontragwerken
  4. Lohmeyer, G., Baar S., Ebeling, G.: Stahlbetonbau, Bemessung – Konstruktion – Ausführung, Hannover 2012
  5. Schneider, K.-J.: Bautabellen für Ingenieure, Siegen 2010
  6. Holschemacher, K., Müller, T., Lobisch, F.: Bemessungshilfsmittel für Betonbauteile nach Eurocode 2, Leipzig 2012


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