Adaptive Tragwerke

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Allgemeines

Als adaptive Tragwerke (von lateinisch adaptare "anpassen") bezeichnet man Systeme, die in der Lage sind, sich ihrer Umgebung und den äußeren Einflüssen anzupassen und auf diese angemessen zu reagieren. Es entsteht in gewisser Weise ein Wechselspiel zwischen der Umgebung und dem Tragwerk selbst, welches zu einer Optimierung von vorher festgelegten Eigenschaften und Zielen führt.

Die Grundlage der adaptiven Tragwerke bildet der Leichtbau (vor allem der Struktur- und Systemleichtbau). Seit mehreren Jahren wurden Bauwerke immer schlanker und leichter konstruiert, dadurch stoßen sie jedoch an einige Grenzen. Infolge der Gewichtsreduzierung ist dann nicht mehr das Eigengewicht selbst der maßgebende Lastfall, sondern folglich die äußeren Einflüsse aus den veränderlichen Lasten. Vor allem nehmen die Schnee- und Windlasten gegenüber dem sehr geringen Eigengewicht einen großen Einfluss. Durch diesen „neuen“ Grenzfall müssen Tragwerke somit weiter optimiert werden.

Allgemein werden adaptive Systeme dabei unterschieden in passive und aktive Adaption. Teilweise wird in der Wissenschaft auch von Hybridsystemen gesprochen.

Ziele und Gründe für Adaption

Mit Blick auf einen zukünftigen Materialmangel und notwendiger Energieeinsparung (vgl. auch Klimawandel) sind demnach sowohl ökologische als auch ökonomische Gründe neben den konstruktiven Vorteilen nicht zu vernachlässigen. Ressourcenschonendes und wirtschaftliches Entwerfen und Konstruieren von Bauwerken sind schon immer ein Bestreben im Ingenieurwesen gewesen und gewinnen zukünftig noch mehr an Bedeu-tung. Vor allem aber auch in der Erdbebenforschung ist der Einsatz von steuerbaren bzw. adaptiven Systemen von großer Bedeutung, wenn es darum geht diese extrem hohen Lasten abzutragen. Durch die Optimierung von Bemessungsansätzen und Konstruktionen adaptiver Tragwerke sind folgende Ziele anzustreben [1]:

  • Verringerung von Verformungen
  • Höhere Tragfähigkeiten
  • Optimierung des Schwingungsverhalten
  • Reduzierung des Ressourcen- und Energieverbrauchs
  • Größere Spannweiten und höhere Konstruktionen
  • Mehr Komfort bei der Nutzung (bezogen auf die Raumqualität und Adaption von Fassaden)


Systemübersicht und Elemente

Grundlegende Struktur und Systemablauf adaptiver Systeme (nach Weber [2])

Durch das Integrieren von multifunktionalen Bauteilen entstehen intelligente und dadurch anpassungsfähige Systeme. Infolge der Anpassungsfähigkeit,
können diese Systeme (oder übertragen auf das Bauwesen Tragwerke) auf unterschiedlichste Einwirkungen reagieren.
Solche Systeme bestehen allgemein aus den folgenden drei Komponenten:

  • Sensoren: zur Messung äußerer Einflüsse oder systeminterner Zustände (z.B. Dehnungsmessstreifen usw.)
  • Steuerung und Regelung: gibt Rückmeldung über Systemantwort
  • Aktuatoren: Verbindungsglieder zwischen Regelung und technischem Prozess (z.B. pneumatische oder hydraulische Aktuatoren usw.)

Die Adaption und bereits erwähnte Wechselwirkung, die zur Anpassung an die Einwirkungen geschieht, wird durch einen Vorgang bzw. Algorithmus gesteuert.

Sensoren

Den Sensoren ist die Aufgabe der Übertragung von Informationen zuzuordnen. Sie sind in der Lage, Veränderungen der Systemeinflüsse wahrzunehmen und den internen Zustand des Systems zu messen [3]. Ein Sensor ist somit das erste Element in der Reihenfolge adaptiver Systeme. Im Allgemeinen erzeugen die Sensoren ein elektrisches Ausgangssignal, welches an die Steuerung bzw. Regelung weitergegeben wird. Dort wird es verarbeitet, umgewandelt und dann an die Aktuatoren des Systems weitergeleitet. [4]

Zu den an den häufigsten verwendeten Sensoren gehören die Dehnungsmessstreifen (kurz DMS), welche zur Messung von Dehnungen geeignet sind und somit ein typisches Beispiel der “Wegmessung“ darstellen.

Steuerung und Regelung

Bei adaptiven Systemen wird in Steuerung und Regelung differenziert. Der Unterschied beider Anwendungen liegt darin, dass bei einer Steuerung lediglich die äußeren Einflüsse ermittelt werden, während bei der Regelung Systemantworten generiert werden. Dementsprechend spricht man bei der Abhängigkeit zur Optimierung durch äußere Lasten von Steuerung und bei Systemverformungen oder der Variation der Systemeigenschaften von Regelung. Das bedeutet, dass eine Regelung zur Ausführung der Adaption innerhalb eines Systems unabdingbar ist [5].

Aktuatoren

Die Aktuatoren oder Aktoren in einem System lassen sich auch als “Stellgrö-ßen“ bezeichnen. Sie sind dafür zuständig, die von der Steuerung bzw. Rege-lung übertragenden Signale und Informationen umzusetzen und somit die Adaption auszuführen. Sie bilden daher das Gegenstück bzw. Bindeglied zu den Sensoren.

Die Aktuatoren eines Systems transformieren dabei elektrische Signale in me-chanische oder chemische Größen [30]. Für die Umsetzung dieser technischen Prozesse ist meistens eine elektrische, hydraulische oder pneumatische Hilfsenergie erforderlich. Da Aktuatoren keine dauerhafte Arbeit leisten müssen, sondern nur kurzfristig zum Einsatz kommen, müssen diese Elemente bestimmte Anforderungen erfüllen [6]:

  • Möglichst lineare bzw. statische Übertragungseigenschaften
  • Funktionen Antreiben und Bremsen
  • Hohe Belastbarkeit
  • Möglichkeit zur genauen Positionierung
  • Schnelle, gut gedämpfte dynamische Eigenschaften
  • Geeignete Schnittstellen für Sensoren

Im Allgemeinen können Aktuatoren für verschiedene Aufgaben eingesetzt werden. Die Aktuatoren werden dabei in Kategorien nach dem jeweiligen technischen Prozess bzw. nach den notwendigen Hilfsenergien unterteilt.

Passive Adaption

Bei der passiven Adaption reagieren die Systeme direkt auf die Einflüsse ohne jeglichen Einsatz von Steuerung durch zum Beispiel Sensoren. Somit ist eine Zuwendung externer Energie nicht notwendig. Bei passiven Systemen wird die Bewegung und Dynamik des Tragwerkes selbst genutzt und die dadurch entstandene Energie absorbiert [7]. Typische Beispiele passiver Adaption sind Feder-Masse-Systeme, die als Schwingungstilger oder –Dämpfer, die auf das Tragwerk einwirkende Energie aufnehmen und diese in eine Relativbewegung zur Absorption umwandeln können. Denkbar sind auch Systeme, die frei drehbar sind und sich beispielsweise der jeweiligen Windrichtung anpassen können.

Aktive Adaption

Im Gegensatz zur passiven Adaption ist bei einer aktiven Adaption das Aufbringen externer Energie zur Aktivierung der Steuerung notwendig. Die Aktivierung wird durch zusätzliche Sensoren ausgelöst, gesteuert und durch die integrierten Aktuatoren umgesetzt. Häufig kommen an dieser Stelle elektrohydraulische oder elektromechanische Aktuatoren zum Einsatz [8]. Ein Vorteil der aktiven Adaption mit dieser Steuerung ist eine größere Abdeckung der Anpassungsfähigkeit der Systeme. Die Reaktionen und möglichen Steuerungen dieser Systeme sind deutlich weitreichender. Aktive Systeme werden häufig dazu eingesetzt, um die jeweiligen Zustandsgrößen (Verformungen und innere Kräfte) zu beeinflussen [9].

Semi-aktive Systeme

Semi-aktive Systeme sind eine Kombination aus aktiven und passiven Syste-men, bei denen die Vorteile beider Systeme kombiniert genutzt werden [10]. Bei diesen Systemen wird die Adaption durch eine Manipulation der jeweiligen Systemeigenschaft (z.B. der Steifigkeit oder durch Dämpfung) hervorgerufen. Semi-aktive Systeme sind auch auf eine externe Energiequelle angewiesen. Allerdings ist die notwendige Hilfsenergie deutlich geringer als bei aktiven Systemen, dabei wird die Anpassungsfähigkeit jedoch nicht beeinträchtigt [11]. Semi-aktive Regelsysteme werden vor allem zur Nutzung von Steifigkeitsregelungsgeräten, elektrorheologischen und magnetorheologischen Dämpfern oder abgestimmten Flüssigkeitsdämpfern erforscht [12].

Anwendung im Bauwesen

Voraussetzungen

Adaptive Tragwerke kommen teilweise im Bauwesen bereits zur Anwendung (z.B. zur Schwingungstilgung oder in Fassaden). Dabei müssen die Systeme einige Grundvoraussetzungen erfüllen. Die wichtigste Grundvoraussetzung zur Optimierung von Tragwerken sind veränderbare Systemgrößen. Wenn das zu optimierende System keine Veränderungen zulässt, ist eine mögliche Adaption ausgeschlossen. Veränderliche Systemgrößen können dabei zum Beispiel sein:

  • Systemkräfte und Lasteinleitung, welche sowohl Schnittgrößen als auch Verformungen beeinflussen können.
  • Die Geometrie und maßgebende Formgebung des Tragwerks können bei der Aufnahme von Lasten eine entscheidende Stellgröße darstellen.
  • Unterschiedliche Steifigkeiten von Einzelelementen oder auch von Bereichen innerhalb des Systems können ebenfalls zu einer Reduzierung der Schnittkräfte führen. Durch Steifigkeiten können somit bestimmte veränderliche Einwirkungen homogenisiert werden [13].
  • Ähnlich wie die Steifigkeit kann auch die Masse eines Systems eine entscheidende Rolle zur Adaption der Tragwerke besitzen und zur Lastaufnahme beitragen.

Somit können unterschiedliche Größen eines Systems optimiert und verschiedene Einflüsse adaptiert werden. Dabei wird die Adaption unterschieden in Verformungsadaption und Schnittgrößenadaption.

Verformungsadaption

Bei der Verformungsadaption werden ermittelte Verformungen oder Verschiebungen optimiert. Dazu müssen zunächst die erforderlichen Dehnungen, Längenänderungen und Arbeiten der einzelnen Elemente ermittelt werden. Nachfolgend können die Kräfte zur Verhinderung dieser Verschiebungen ermittelt werden. Teilweise können auch Verformungen eines Systems zur Optimierung vorgegeben werden (z.B. Überhöhung bei Brücken).

Schnittgrößenadaption

Schnittgrößen- oder auch Momentenadaption genannt, hat zum Ziel die Schnittgrößen eines Systems durch z.B. Änderung der Steifigkeit oder Lasteinleitung zu homogenisieren.
Auch die Formgebung des Gesamtsystems kann sich positiv auf die Schnittgrößen auswirken, z.B. kann die Struktur dem Momentenverlauf angepasst werden. Oftmals wird die Angleichung der Feld- und Stützmomente zum Optimierungsziel gewählt.


Quellen

  1. Pawlowski, Robert: Adaptive Dachtragwerke – Entwicklung eines Entwurfsverfahrens – Betrachtung ausgewählter Aspekte. Dissertation: Technische Universität München, 2006
  2. Weber, Christian-Toralf: Ein Beitrag zur optimalen Positionierung von Aktoren in adaptiven mechanischen Strukturen, Düsseldorf: VDI, 1998
  3. Teuffel, Patrick: Entwerfen adaptiver Strukturen, Lastpfadmanagement zur Optimierung tragender Leichtbaukonstruktionen. Dissertation: Universität Stuttgart, 2004
  4. Isermann, Rolf: Mechatronische Systeme: Grundlagen, Berlin, Heidelberg, New York: Springer-Verlag, 1999
  5. Pawlowski, Robert: Adaptive Dachtragwerke – Entwicklung eines Entwurfsverfahrens – Betrachtung ausgewählter Aspekte. Dissertation: Technische Universität München, 2006
  6. Isermann, Rolf: Mechatronische Systeme: Grundlagen, Berlin, Heidelberg, New York: Springer-Verlag, 1999
  7. Symans, M. D.; et al.: Semi-active control systems for seismic protection of structures: a state-of-the-art review. In: Engineering structures 21, Seiten 469-487
  8. Symans, M. D.; et al.: Semi-active control systems for seismic protection of structures: a state-of-the-art review. In: Engineering structures 21, Seiten 469-487
  9. Bretz, A.; Calmano, S. et al.: Darstellung passive, semi-aktiver und akti-ver Systeme auf Basis eines Prozessmodells, SFB 805, TU Darmstadt
  10. Pawlowski, Robert: Adaptive Dachtragwerke – Entwicklung eines Entwurfsverfahrens – Betrachtung ausgewählter Aspekte. Dissertation: Technische Universität München, 2006
  11. Pawlowski, Robert: Adaptive Dachtragwerke – Entwicklung eines Entwurfsverfahrens – Betrachtung ausgewählter Aspekte. Dissertation: Technische Universität München, 2006
  12. Symans, M. D.; et al.: Semi-active control systems for seismic protection of structures: a state-of-the-art review. In: Engineering structures 21, Seiten 469-487
  13. Pawlowski, Robert: Adaptive Dachtragwerke – Entwicklung eines Entwurfsverfahrens – Betrachtung ausgewählter Aspekte. Dissertation: Technische Universität München, 2006



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