Durchstanzen

Aus Baustatik-Wiki
Version vom 27. November 2015, 09:43 Uhr von Gast (Diskussion | Beiträge) (Die Seite wurde neu angelegt: „===Allgemeines zum Durchstanzen=== Wird eine '''konzentrierte Last''' auf eine verhältnismäßig '''kleine Einleitungsfläche''' eines Plattentragwerks (z.…“)
(Unterschied) ← Nächstältere Version | Aktuelle Version (Unterschied) | Nächstjüngere Version → (Unterschied)
Zur Navigation springen Zur Suche springen

Allgemeines zum Durchstanzen

Wird eine konzentrierte Last auf eine verhältnismäßig kleine Einleitungsfläche eines Plattentragwerks (z.B. Deckenplatte oder Fundament) aufgebracht, so kommt es zu einem örtlichen Querkraftversagen [1]. Dies äußert sich bei relativ geringen Lasten durch auftretende Biegerisse in radialer Richtung. Wird die Last erhöht, so kommt es als Folge dessen zum Reißen des Betons in tangentialer Richtung (Querkraftrisse). Durch die Vereinigung zu Durchstanzrissen verursachen diese einen Bruch [2]. Trennt sich der betroffenen Plattenbereich heraus, so entsteht der typische kegel- oder pyramidenförmige Körper. Diese Art des Versagens geschieht ohne eine ausgeprägte Vorankündigung. Es kommt zu einem fortschreitenden Kollaps der vollständigen Konstruktion [3]. Folglich ist diese Art von Nachweis das maßgebende Kriterium bei der Bemessung einer Deckenplatte. Da das Durchstanzversagen ein Sonderfall der Querkraftbeanspruchung darstellt, besteht ein Zusammenhang zwischen beiden Bemessungsansätzen [4]. Obwohl die Durchstanztragfähigkeit und das Biegetragverhalten sich gegenseitig beeinflussen (siehe Bild 1), sind ihre Berechnung separat durchzuführen. [5]. Die Durchstanztragfähigkeit wird durch Bauteileigenschaften wie

  • der Betonfestigkeit,
  • den Querschnittabmessungen,
  • der Bewehrungsmenge in der Zugzone,
  • eine durch Vorspannung entstehende Normaldruckkraft und
  • die vorgesehene Durchstanzbewehrung maßgebend beeinflusst [6].

Bei der Nachweisführung müssen folgende Versagen verursachende Komponenten einbezogen werden [7]:

  • eine Überschreitung der Betonzugfestigkeit,
  • ein Versagen der Betondruckzone,
  • ein örtliches Verbundversagen der Biegezugbewehrung
  • und eine unzureichende Verankerung der Durchstanzbewehrung

Der zu führende Nachweis besagt, dass die auf den kritischen Rundschnitt bezogene einwirkende Querkraft geringer ausfällt, als der Bemessungswiderstand . Der Nachweis lautet wie folgt: Es findet hierbei eine Unterscheidung in Bauteilen mit und ohne Durchstanzbewehrung statt.

Bauteile ohne Durchstanzbewehrung

Bei Plattentragwerken ohne Durchstanzbewehrung (siehe Bild 2) muss der folgende Nachweis klären, ob die Tragfähigkeit des Betons im kritischen Rundschnitt ausreichend ist und die auftretende Querkraft den Bauteilwiderstand somit nicht überschreitet [8]. Im Allgemeinen gilt:


Somit muss bei Bauteilen ohne Durchstanzbewehrung die Querkrafttragfähigkeit des Betons im kritischen Rundschnitt größer sein, als die vorherrschende Einwirkung:


Ist der Bemessungswiderstand größer als der Bemessungswert der Querkraft , so ist eine Durchstanzbewehrung vorzusehen, welche beispielsweise durch Bügel gebildet werden kann. Ist diese Maßnahme nicht ausreichend, können tragfähigkeitserhöhende Einbauteile vorgesehen werden[9].

Bauteile mit Durchstanzbewehrung

Wird Durchstanzbewehrung benötigt, so muss auf mehreren Rundschnitten ui weitere Querkraftnachweise geführt werden [10]. Des Weiteren kann zur Steigerung der Tragfähigkeit zusätzlich zur Durchstanzbewehrung eine Querkraftbewehrung in Form von aufgebogenen Stäben, Bügeln, S-Haken oder Dübelleisten in Betracht gezogen werden. Werden solche verwendet, ist eine zweite Reihe an Schubbewehrung anzuordnen, auch wenn diese rechnerisch nicht erforderlich ist[11]. Bei der Ausführung von Durchstanzbewehrung müssen mehrere Versagensmechanismen (siehe Bild 3) betrachtet werden [12]:

Betonversagen: die maximale Schubspannung nach Gleichung (1) darf nicht größer ausfallen, als der Bemessungswert des maximalen Durchstanzwiderstands .


Stahlversagen: die Tragfähigkeit des Querschnitts mit Durchstanzbewehrung muss in jedem Rundschnitt gewährleistet sein.


Die Querkrafttragfähigkeit muss in der Umgebung außerhalb des durchstanzbewehrtem Bereichs ohne Querkraftbewehrung gegeben sein.


Lasteinleitungsfläche und kritischer Rundschnitt

Die Bemessung der Lasteinleitungsfläche Aload mit dem kritischen Rundschnitt u1 gilt für folgende Geometrien:

  • Rundstützen mit dem Umfang
  • Rechteckstützen mit und dem Verhältnis von Länge zu Breite
  • andere Formen, die sinnvoll wie oben genannt begrenzt werden können

Dabei wird die benötigte statische Nutzhöhe d wie folgt ermittelt:

Die Lasteinleitungsfläche darf sich nicht in der Nähe von anderen konzentrierten Lasten sowie anderen wirkenden Querkräften befinden, was eine Überschneidung der kritischen Rundschnitte zur Folge hätte [1]. Ist dies dennoch der Fall, so ist im Durchstanznachweis der gesamte Rundschnittumfang mit der kleinsten Umhüllenden unter Berücksichtigung der Umfangsbegrenzung der Lasteinleitungsfläche von 12d in Ansatz zu bringen (Nationaler Anhang (NA)) [2]. Einwirkung und Widerstand werden auf den kritischen Rundschnitt bezogen, dieser wird bei Rund- und Rechteckstützen im Abstand 2d von der Lasteinleitungsfläche gebildet (siehe Bild 4) [5]. Die kritische Fläche Acont stellt die Fläche innerhalb des kritischen Rundschnitts u1 dar (siehe Bild 5 und 6) .

Bei der Ermittlung des kritischen Rundschnitts sind einspringende Ecken zu überlesen, da der kleinste aller Rundschnitte maßgebend ist [5]. Die Berücksichtigung eines Rundschnitts kleiner als 2d ist dann notwendig, wenn ein großer Gegendruck beispielsweise durch Sohldruck bei Fundamenten, einer Auflagerreaktion oder einer Last innerhalb des kritischen Rundschnitts (2d) vorherrscht. Trifft dieser Fall zu, so ist der Abstand acrit iterativ zu ermitteln (NA) [2]. Sind die oben genannten Bedingungen in Bezug auf die rechteckige Lasteinleitungsfläche nicht erfüllt, so darf nur ein reduzierter kritischer Rundschnitt in Ansatz gebracht werden [4].

Ausgedehnte Einleitungsflächen

Ist das Seitenverhältnis a/b > 2 oder der Umfang der Lasteinleitungsfläche Aload > 12d, so müssen gesonderte Nachweise geführt werden, welche nur auf Teilrundschnitte mit u0 � 12d zu beziehen sind (siehe Bild 7). Der Querkraftwiderstand ist für alle weiteren, über den Umfang hinaus ragenden Bereiche zu ermitteln. Die Summe aus der Durchstanztragfähigkeit sowie der Querkrafttragfähigkeit bildet den Gesamtwiderstand [5].

Randnähe

Liegt die Lasteinleitungsfläche nahe eines freien Randes, so ist der minimale kritische Rundschnitt möglicherweise nicht mehr geschlossen und endet in diesem Fall stets orthogonal zu diesem [5]. Im zutreffenden Fall ist der Rundschnitt wie in Bild 8 aufgezeigt anzunehmen. Dieser Rundschnitt wird jedoch nur maßgebend, wenn der Umfang kleiner ist als der des "Regelrundschnitts" bei geschlossener Schnittführung [8]. Beträgt der Abstand zum freien Rand < d, so ist in der Regel eine besondere Randbewehrung einzulegen [1].

Öffnungen

Liegt der Rand der Lasteinleitungsfläche im Abstand von weniger als 6d von einer Öffnung entfernt, so muss die der Öffnung zugewandte Seite des Rundschnitts als unwirksam betrachtet werden. Diese ist somit bei der Berechnung abzuziehen [9]. Der Umfang lässt sich somit wie in Bild 9 dargestellt bilden.

Bemessungswert der Einwirkung

Die als Spannung angegebene Bemessungsquerkraft bezieht sich auf die Querschnittsfläche des kritischen Rundschnitts [5]. Die Gleichung dafür lautet:


Erläuterungen zum Korrekturfaktor β - nach EC 2-1-1, 6.4.3.(6)[13][14][15]

Infolge von Biegung ist die aufgebrachte Querkraft nicht mehr gleichmäßig über den Umfang verteilt, die Belastung einer Seite ist folglich erhöht. Der Lasterhöhungsfaktor β berücksichtigt diesen Umstand.

Konstanter Faktor für ausgesteifte Systeme mit nahezu gleichen Stützweiten

Es werden horizontal unverschiebliche, ausgesteifte Systeme mit Stützweitenunterschieden von maximal 25 % und eine Belastung durch Gleichlast angenommen. Die Stützweitenverhältnisse betragen somit .

Für diesen Fall können somit folgende konstante Näherungswerte angenommen werden:

  • 1,10 Innenstützen
  • 1,40 Randstützen
  • 1,35 Wandenden (NA)
  • 1,50 Eckstützen
  • 1,20 Wandecken (NA)
  • Bei Fundamenten wird ein angenommen.

Genaueres Verfahren

nach EC 2-1-1, 6.4.3 (1;2) Sind die oben genannten Voraussetzungen nicht erfüllt oder ist die bezogene Ausmitte e/c bei Randstützen größer als 1,2 (wobei c die Stützenabmessung in Richtung der Ausmitte darstellt), ist der Lasterhöhungsfaktor mit genaueren Verfahren zu ermitteln. Hierbei wird die Annahme einer vollplastischen Schubspannungsverteilung am kritischen Rundschnitt getroffen.

Quellen

  1. K. Zilch F. Fingerloos, J. Hegger. Eurocode 2 für Deutschland. Ernst + Sohn, Beuth-Verlag, S. 263-281, 1. Aufl. edition, 2012
  2. Prof. Dr.-Ing. Rudolf Baumgart. Durchstanznachweis nach EC 2. Skript Hochschule Darmstadt-University of Applied Sciences, 2012
  3. Dr.-Ing. Markus Staller/Dipl.-Ing. Christian Juli. Durchstanzen von Flachdecken und Fundamenten. Hochschule München- Einführung in den Eurocode 2 mit Praxisbeispielen und Konstruktion im Stahlbeton- und Spannbetonbau, 2012
  4. Prof. Dr-Ing. Jens Minnert. Durchstanzen nach EC 2-1-1 und EC 2-1-1/NA. mb AEC- Fit für den Eurocode, 2012
  5. Prof. Dipl.-Ing. Frank Prietz. Durchstanzen nach DIN EN 1992-1-1 +NA. Skript
  6. Prof Dr.-Ing. Guido Bolle. Skript: Modul - Stahlbetonbau 2
  7. Prof. Dr.-Ing. Rudolf Baumgart. Durchstanznachweis nach EC 2. Skript Hochschule Darmstadt-University of Applied Sciences, 2012
  8. Prof. Dr.-Ing. Rudolf Baumgart. Durchstanznachweis nach EC 2. Skript Hochschule Darmstadt-University of Applied Sciences, 2012
  9. Prof. Dr-Ing. Jens Minnert. Durchstanzen nach EC 2-1-1 und EC 2-1-1/NA. mb AEC- Fit für den Eurocode, 2012
  10. Prof. Dr.-Ing. Rudolf Baumgart. Durchstanznachweis nach EC 2. Skript Hochschule Darmstadt-University of Applied Sciences, 2012
  11. Dipl.-Ing. Klaus Beer. Bewehren nach DIN EN 1992-1-1(EC2). Vieweg+Teubner, S. 196-207, 3. Aufl. edition, 2012
  12. Prof. Dr.-Ing. Rudolf Baumgart. Durchstanznachweis nach EC 2. Skript Hochschule Darmstadt-University of Applied Sciences, 2012
  13. Prof. Dr.-Ing. Rudolf Baugart -Durchstanznachweis nach EC 2. Skript Hochschule Darmstadt-University of Applied Sciences 2012
  14. K. Zilch F. Fingerloos, J. Hegger- Eurocode 2 für Deutschland. Ernst + Sohn, Beuth-Verlag, S. 263-281, 1. Aufl. edition, 2012
  15. Prof. Dr-Ing. Jens Minnert- Durchstanzen nach EC 2-1-1 und EC 2-1-1/NA. mb AEC- Fit für den Eurocode, 2012.
Seiteninfo
Quality-flag-white.gif
Status: in Bearbeitung
Modul-Version: 2015.0240