Mitwirkung des Betons zwischen den Rissen (Zugversteifung)

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Als Mitwirkung des Betons zwischen den Rissen (auch Zugversteifung bzw. engl. "tension stiffing") wird der Effekt bezeichnet, dass die Stahlspannungen zwischen den Rissen abnehmen. Wegen der Abnahme der Stahldehnung nimmt auch die Stahldehnung ab. Die Mitwirkung des Betons zwischen den Rissen beeinflusst maßgeblich die Steifigkeit des Bauteils im Zustand II.

Dehnungen bei abgeschlossener Rissbildung[1]

Allgemeines

Grund für die Abnahme der Stahldehnungen zwischen den Rissen ist der Verbund zwischen Stahl und Beton. Im Riss ist kein Verbund zwischen Stahl und Beton mehr vorhanden, die Stahlspannung ist hier maximal. Zwischen den Rissen findet durch den Verbund von Stahl und Beton eine Kraftübertragung zwischen beiden Materialien statt; der Beton nimmt zwischen den Rissen ebenfalls Zugspannungen auf, sodass die Stahlspannung und -dehnung hier abnehmen. Mittig zwischen den Rissen wird die Stahlspannung minimal.

Durch die Abnahme der Dehnungen zwischen den Rissen nimmt die Bauteilsteifigkeit im Vergleich zum reinen Zustand II zu. Dieser Effekt lässt sich anschaulich an den Krümmungen verdeutlichen, welche gemäß den Grundsätzen der Mechanik mit der Steifigkeit direkt zusammenhängen. Im Folgenden wird dies am Beispiel des Biegebalkens dargestellt.

Betrachtet man die folgenden Gleichungen und setzt voraus, dass das Moment und die statische Nutzhöhe gleichbleibt, führt die Verringerung der Stahldehnung zu einer Vergrößerung der Biegesteifigkeit.

wenn gilt dann gilt ebenfalls

wobei:

Krümmung
Moment
statische Nutzhöhe
Betondehnung den der Bauteiloberkante
Dehnung der Zugbewehrung im gerissenen Zustand im Riss (reiner Zustand II)
mittlere Dehnung der Zugbewehrung
Biegesteifigkeit im reinen Zustand II
Biegesteifigkeit im Zustand II unter Berücksichtigung der Mitwirkung des Betons zwischen den Rissen

Im Zustand I spielt die Zugversteifung wegen der nicht vorhandenen Risse keine Rolle; mit zunehmender Rissbildung nimmt der Einfluss auf die Steifigkeit zu.

Die Mitwirkung des Betons zwischen den Rissen beeinflusst im Allgemeinen alle Nachweise die Mit der Verformungen des Bauteils zusammenhängen z.B. den Verformungsnachweis und den Rotationsnachweis. Auch die Berechnung der Rissbreiten wird durch die Zugversteifung beeinflusst.

Abhängig vom Nachweis kann die Zugversteifung einen positiven oder negativen Einfluss auf das Nachweisergebnis haben [2]. Beim Verformungsnachweis hat sie einen positiven Einfluss, da durch die höhere Steifigkeit die Verformungen abnehmen. Auf die Rotationsfähigkeit hat die Mitwirkung des Betons zwischen den Rissen einen negativen Einfluss, da durch die maximalen Stahldehnungen nicht in allen Bereichen voll aktiviert werden können.

Einflussfaktoren

Die Mitwirkung des Betons zwischen den Rissen ist maßgeblich von den Verbundeigenschaften abhängig (z.B. Oberflächenbeschaffenheit der Stähle, Betonfestigkeit, Lage des Stabs im Bauteil, Stabdurchmesser). Je besser die Verbundbedingungen sind, desto größer ist die Mitwirkung des Betons zwischen den Rissen.

Außerdem haben hat der Rissabstand Einfluss auf die Zugversteifung, je größer der Rissabstand ist, desto größer ist die Mitwirkung des Betons zwischen den Rissen.

Ein weitere Einflussfaktor ist die der Verlauf der Stahlkennlinie zwischen der Streckgrenze und der Zugfestigkeit bzw. der Abstand zwischen beiden Punkten. Ist der Abstand zwischen beiden Punkten gering bzw. der Verlauf flach, führt bereits eine kleine Abnahme der Spannungen zu einer großen Dehnungsabnahme [3].

Einen großen Einfluss auf die Mitwirkung des Betons zwischen den Rissen hat außerdem der Bewehrungsgrad. Bei kleinen Bewehrungsgraden ist der Unterschied zwischen Stahldehnung im Riss und der mittleren Stahldehnung und somit die Mitwirkung des Betons bei sonst gleichbleiben Bedingungen größer als bei einem großen Bewehrungsgrad, da die Stahldehnungen bei der Rissbildung größer sind und eine größere Spannungsabnahme zwischen den Rissen stattfindet[3].

Rechnerische Berücksichtigung der Zugversteifung

Für die rechnerische Berücksichtigung der Mitwirkung des Betons zwischen den Rissen wurden unterschiedliche Modelle entwickelt z.B.:

  • Annahme einer mittleren Betonzugspannung (betonseitige Berücksichtigung)
  • Reduzierung der Stahldehnung (stahlseitige Berücksichtigung)
  • Modifizierung der Arbeitslinie des Stahls (stahlseitige Berücksichtigung)

Im Folgenden wird nur auf die Modifizierung der Arbeitslinie des Stahls eingegangen. Hierbei handelt es sich auch um das Modell, welches in den Erläuterungen zum EC2 (DAfStb Heft 600)[2] vorgeschlagen wird. Für die übrigen Modelle wird auf die Literatur verwiesen [4].

Modifizierte Spannungs-Dehnungs-Linie für Betonstahl zur Berücksichtigung der Mitwirkung des Betons zwischen den Rissen [2]

Für die Modifizierung der Arbeitslinie des Stahls stehen abhängig vom Bereich der Arbeitslinie unterschiedliche Formeln zur Verfügung. Die folgenden Gleichungen gelten für linearisierte Spannungs-Dehnungs-Linien mit den üblichen vier Abschnitten[2].

ungerissener Bereich:

Zustand der Erstrissbildung:


abgeschlossene Rissbildung:


Fließen des Betonstahls:

wobei:

vorhandene Stahldehnung
Stahldehnung die zur Erstrissbildung führt
Festigkeit an der Streckgrenze
Zugfestigkeit
Stahldehnung im ungerissenen Zustand
Stahldehnung im gerissenen Zustand im Riss
Stahldehnung im ungerissenen Zustand unter Rissschnittgrößen bei Erreichen von fctm
Stahldehnung im Riss unter Rissschnittgrößen
Dehnung im gerissenen Zustand an der Streckgrenze
Beiwert zur Berücksichtigung des Einflüsses der beastungsdauer oder einer wiederholten Belastung auf die mittlere Dehnung (=0,40 für eine einzelne kurzzeitige Belastung; =0,25 für eine andauernde Last oder für häufige Lastwechsel)
Beiwert zur Berücksichtigung der Duktilität der Bewehrung (=0,80 für hochduktilen Stahl B500B; =0,6 für normalduktilen Stahl B500A)


Vereinfachend kann der Rissbildungsprozess auch unberücksichtigt bleiben[2]. Hierdurch entfällt die zweite der zuvor aufgeführten Gleichungen, die restlichen Gleichungen bleiben unverändert, die Grenzen der verbliebenen Bereiche werden im Folgende dargestellt:

ungerissener Bereich:

abgeschlossene Rissbildung:

Fließen des Betonstahls:

Quellen

  1. Zilch,K., Zehetmaier,G.: Bemessung im konstruktiven Betonbau; 2. Auflage, Berlin/Heidelberg: Springer Verlag, 2006
  2. 2,0 2,1 2,2 2,3 2,4 Deutscher Aussschuss für Stahlbeton: Erläuterungen zu DIN EIN 1992-1-1 und DIN EN 1992-1-1/NA (Eurocode 2); DAfStb Heft 600
  3. 3,0 3,1 Eligehausen, R. et al.: Mitwirkung des Betons zwischen den Rissen bei nichtelastischen Stahldehnungen - Optimierung des Verbunds; Beton- und Stahlbetonbau 93 (1998), Heft 2
  4. Quast, U.: Zur Auswahl eines geeigneten Verfahrens für die Berücksichtigung der Mitwirkung des Betons auf Zug; Bautechnik 87 (2010), Heft 7


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