Zugkraftdeckung (Bsp.)

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Folglich wird ein praxisnahes Berechnungsbeispiel zum Thema Zugkraftdeckung geführt. Dieses wird vergleichsweise händisch und mit zwei verschiedenen Bemessungssoftwares geführt.

Statisches System und Belastung

Betrachtet wird ein Durchlaufträger mit 2 Feldern unterschiedlicher Spannweite. Es handelt sich um einen Plattenbalkenquerschnitt, welcher frei drehbar gelagert ist.

Betongüte: C25/30

Betonstabstahl: B500A

System und Belastung

Berechnungsbeispiel - händisch

Nachfolgend wird schrittweise die grafische händische Durchführung der Zugkraftdeckung an einem praxisnahen Berechnungsbeispiel erläutert. Hierbei werden auch die beiden Varianten hinsichtlich des Ansatzes der Tragfähigkeit der Bewehrung in der Verankerungslänge gegenübergestellt.

Grundlagen

  • Momentengrenzlinie
Grundlage ist die Momentengrenzline (Bemessungswerte), welche aufgrund der verschiedenen Möglichkeiten der Laststellungen geeignet zu bestimmen ist (z.B. Schnittprinzip).
Vollständige Momentengrenzlinie in Diagrammform


Um die Zugkraftdeckung zeichnerisch durchzuführen, sind schrittweise einzelne Werte des Verlaufes der Momentengrenzlinie zu bestimmen. Die Schrittweite ist so zu wählen, dass der Verlauf entsprechend „feinfühlig“ dargestellt wird. Im Falle des Beispiels führt ein Abstand von 0,5m zu einem zufriedenstellenden Ergebnis. Mit der Annahme der Anwendung des Schnittprinzips ist also alle 0,5m entlang der Systemlänge der Bemessungswert des Biegemomentes zu bestimmen. Aufgrund der Lagerungsbedingung am Zwischenauflager darf das Stützmoment abgemindert werden (Momentenausrundung). Dies ist ebenfalls zu berücksichtigen.


  • Ergebnisse aus der Biege- und Querkraftbemessung
Aus der Biegebemessung ist Anzahl, Durchmesser und Stahlgüte der Längsbewehrung bekannt.
Der Querschnitt des Plattenbalkens wird mit der gewählten Bewehrungsmenge und deren Anordnung am entsprechenden Betrachtungsschnitt (Querkraftbewehrung nicht dargestellt) in nachfolgender Grafik veranschaulicht. Auch die statische Nutzhöhe (d) lässt sich aus der Grafik entnehmen. Aufgrund der einlagigen Anordnung ist diese im Beispiel stets 70 cm.
Querschnitt mit Bewehrungsmengen


Ebenfalls sind die Druckstrebenneigungswinkel aus der bereits vollzogenen Querkraftbemessung bekannt:
Am Auflager A und C ist θ = 18,4°→ cot θ = 3,00
Am Auflager B links ist θ = 25,0°→ cot θ = 2,14
Am Auflager B rechts ist θ = 22,9°→ cot θ = 2,37
Der Neigungswinkel der Bügelbewehrung beträgt α = 90° →cot α = 0
Die Bemessungswerte der Querkräfte an den Endauflagern betragen bei Auflager A = 290,86 kN und bei B = 236,05 kN.

Bestimmen der M/z - Linie (Zugkraft aufgrund von Biegemomenten)

Die M/z Linie lässt sich aus der Momentengrenzline bestimmen. Ziel ist es, den Verlauf der Stahlzugkraft Fsd aufgrund von Biegemomenten in Diagrammform darzustellen. Um die entsprechenden Werte für das Zugkraftdiagramm zu erhalten, ist jeder einzelne Bemessungswert aus der Momentengrenzlinie durch den Hebelarm der inneren Kräfte (z) zu dividieren. Man erhält somit aus dem Moment MEd [kNm] die Stahlzugkraft Fsd [kN].

Die Stahlzugkraft Fsd errechnet sich somit zu:[1]

MEd... Bemessungswert des einwirkenden Momentes (Wert aus Momentengrenzlinie)
z... Der Hebelarm der inneren Kräfte errechnet sich im Falle des Beispiels aus der statischen Nutzhöhe zu 0,9 · d.
NEd... Bemessungswert des einwirkenden Normalkraft (keine einwirkende Normalkraft vorhanden→ entfällt somit)


Aufgrund des sich immer wiederholenden Berechnungsschrittes wird dieser folglich nur einmal exemplarisch am maximalen Biegemoment in Feld 1 veranschaulicht:

Nach dieser Vorgehensweise sind alle Werte aus der Momentengrenzlinie in die entsprechende Stahlzugkraft umzurechnen. Eine Tabelle kann hierfür sehr sinnvoll sein:

Tabelle


Sind alle Werte bestimmt, lassen sich diese anhand ihrer Koordinaten im Zugkraftdiagramm eintragen. Bei der händischen Durchführung eignet sich hierfür Millimeterpapier. Die Maßstäbe können hierbei frei gewählt werden.

Im Diagramm eingetragene Punkte


Sind alle Punkte im Diagramm eingetragen, lassen sich diese entsprechend verbinden, um den Zugkraftverlauf zu erhalten.

M/z - Linie (Zugkraft aufgrund von Biegemomenten)

Fsd – Linie (Zugkraft aufgrund von Biegemomenten und Querkraft)

Um den tatsächlichen Verlauf der Stahlzugkraft aufgrund von Biegemoment und Querkraft im Zugkraftdiagramm darzustellen, ist die Zuggurtkraftdifferenz zu berücksichtigen. Bei der zeichnerischen Durchführung erfolgt dies durch horizontales Versetzen der M/z – Linie um das Versatzmaß al.

Das Versatzmaß al ergibt sich zu:[1]

cot θ... Druckstrebenneigungswinkel
cot α... Neigungswinkel der Bügelbewehrung
z... Der Hebelarm der inneren Kräfte errechnet sich im Falle des Beispiels aus der statischen Nutzhöhe zu 0,9 · d.


Aufgrund der unterschiedlichen Druckstrebenneigungswinkel pro Bemessungsabschnitt, ist das Versatzmaß für das betrachtete Beispiel mehrfach zu bestimmen.

Der Hebelarm der inneren Kräfte bleibt auf gesamter Bauteillänge konstant und ergibt sich zu:

Der Neigungswinkel der Bügelbewehrung beträgt α = 90° →cot α = 0

Am Auflager A und C ist cot θ = 3,00

Somit ergibt sich das Versatzmaß zu:

Zu beachten:

Am Zwischenauflager (Auflager B) ist die obere Biegezugbewehrung teilweise aus dem Stegbereich in die Gurtplatte ausgelagert. Hier ist das Versatzmaß um den Abstand der vom Stegrand am weitesten ausgelagerten Bewehrung zu vergrößern (Maß x).

Maß x (Auslagerung)

Am Auflager B links ist cot θ = 2,14

Somit ergibt sich das Versatzmaß entsprechend der Lage der Bewehrung zu:

obere Bewehrung:
untere Bewehrung:

Am Auflager B rechts ist cot θ = 2,37

Somit ergibt sich das Versatzmaß entsprechend der Lage der Bewehrung zu:

obere Bewehrung:
untere Bewehrung:


Mit den ermittelten Versatzmaßen lassen sich die zuvor im Zugkraftdiagramm ermittelten Punkte horizontal verschieben. Zu beachten ist, dass das jeweils korrekte Versatzmaß an entsprechender Stelle verwendet wird. Hierbei sind die Auflagerlinien und die Extremstellen im Diagramm als Orientierungspunkte für die Anwendung des entsprechenden Versatzmaßes anzusehen. Versetzt wird jeweils immer nach „außen“.

Versetzte Punkte


Sind alle versetzten Punkte im Diagramm eingetragen, lassen sich diese entsprechend verbinden, um den endgültigen Zugkraftverlauf zu erhalten. Optisch deutlich erkennbar ist nun, dass die Zugkraftlinien horizontal um das Versatzmaß parallelverschoben sind.

Versetzte Linie

Eintragen der Bewehrungshorizonte

Aus der bereits vollzogenen Biegebemessung sind Durchmesser und Anzahl der Bewehrungsstäbe als Biegezugbewehrung bekannt. Jeder einzelne Stab kann aufgrund seiner Querschnittsfläche und der Stahlfestigkeit eine entsprechende Zugkraft F aufnehmen.

Die pro Bewehrungsstahl aufnehmbare Zugkraft F errechnet sich zu:[1]

As⌀... Querschnittsfläche des Bewehrungsstahls
fyd... Bemessungswert der Stahlstreckgrenze


Verbaut werden Bewehrungsstähle B500A mit einem Durchmesser von 20 mm.

Daraus ergibt sich eine Querschnittsfläche von As⌀ = 3,14 cm2 und ein Bemessungswert der Festigkeit von fyd = 43,5 kN/cm2 .

Die aufnehmbare Zugkraft pro Bewehrungsstahl berechnet sich somit zu:


Mit zunehmender Anzahl der Bewehrungsstähle kann kontinuierlich mehr Zugkraft aufgenommen werden. In nachfolgender Tabelle wurde die Zugkraft entsprechend der Stabanzahl aufsummiert.

Tabelle - aufnehmbare Zugkräfte


Im Zugkraftdiagramm sind entsprechend der aufnehmbaren Zugkraft die einzelnen Bewehrungsstähle als sogenannte „Bewehrungshorizonte“ als feine Orientierungslinien einzutragen.

Eingetragene Bewehrungshorizonte


Auszug aus Feld 2: Die durch 3 Bewehrungsstähle aufnehmbare Zugkraft unterschreitet offensichtlich geringfügig die mit der Zugkraftlinie dargestellte einwirkende Zugkraft. Diese geringe Abweichung ist jedoch akzeptabel. Zurückzuführen ist dies auf den Hebelarm der inneren Kräfte (z). Die Biegebemessung und damit die Bewehrungswahl erfolgt mit dem exakten Wert für z. Die Zugkraftlinie hingegen wird auf der sicheren Seite liegend vereinfacht mit z = 0,9 · d bestimmt. Hierdurch wird im Zugkraftdiagramm eine teilweise etwas höhere Stahlzugkraft dargestellt als tatsächlich auftreten wird.

geringe Unterschreitung der Zugkraftlinie

Zugkraftdeckungslinie (Abstufen der Biegezugbewehrung)

Betrachtet werden beide Varianten der Zugkraftdeckungslinie.

Abgestuft wird wie folgt:

Untere Bewehrung:
2 Stäbe laufen ohne Abstufung auf gesamter Länge durch
Auflager A → insgesamt 4 Stäbe werden ins Auflager geführt, 1 Stab wird vorher abgestuft
Auflager B links → abgestuft werden 1x 2 Stäbe und 1x 1 Stab
Auflager B rechts → abgestuft wird 1 x 1 Stab
Auflager C → alle 3 Stäbe aus Feld 2 werden ins Auflager geführt
Obere Bewehrung:
abgestuft werden 2 x 2 Stäbe und 1 x 3 Stäbe

Variante a - Zugkraftdeckungslinie „Stufenfunktion“ (nach DIN 1045-1)

Vollständige Zugkraftdeckungslinie „Stufenfunktion“ (rote Linie):

Orientierungspunkte beim Zeichnen sind die Bewehrungshorizonte und die rechnerischen Endpunkten E der Bewehrung. Abstufungsschritte wie vorab beschrieben.

Zugkraftdeckungslinie „Stufenfunktion“


Bestimmen der Verankerungslängen (Zwischenschritt)

Für beide Varianten der Zugkraftdeckung sind die Maße der Verankerungslängen erforderlich. Bei Variante b) werden die Verankerungslängen bereits beim Zeichnen der Zugkraftdeckungslinie benötigt. Exemplarisch wird das Errechnen der erforderlichen Verankerungslänge an 2 verschiedenen Positionen veranschaulicht. Am Zwischenauflager läuft die nicht abgestufte untere Bewehrung durch. Der Nachweis der Verankerungslänge entfällt hier somit.

Verankerung am Endauflager[1]

  • Ermitteln der Randzugkraft FEd (Zugkraft am Endauflager):
VEd... entspricht dem Bemessungswert der maximalen Auflagerkraft
al... Versatzmaß aus Zugkraftdeckung
z... Hebelarm der inneren Kräfte
NEd... Bemessungswert der einwirkenden Normalkraft
Maßgebend: 436,50 kN
  • Ermitteln, des zur Aufnahme der Randzugkraft erforderlichen Bewehrungsquerschnitt
fyd... Bemessungswert der Stahlstreckgrenze
  • Ermitteln der Stahlspannung
As,vorh... Querschnittsfläche der ins Auflager geführten Bewehrungsstäbe


4⌀20 werden bis ins Auflager geführt
Hieraus errechnet sich die vorhandene Querschnittsfläche:


Somit errechnet sich die Stahlspannung zu:
  • Grundwert der Verankerungslänge
Guter Verbund (Bewehrung liegt unten), für Beton C25/30 ist somit fbd = 2,69 N/mm2
fbd... Verbundfestigkeit
s... Stabdurchmesser
  • Bemessungswert der Verankerungslänge
  • Beiwerte:
-Verankerung mit Winkelhaken → α1=0,7
(Aufgrund der begrenzten Platzverhältnisse zur Verankerung am Endauflager musste die Verankerungsform Winkelhaken gewählt werden)
-Keine angeschweißten Querstäbe → α4=1,0
-direkte Lagerung → α5=2/3
  • Mindestwert der Verankerungslänge
→ Mindestverankerungslänge wird nicht maßgebend


Nachweis:
Unter der Annahme einer Betondeckung von cnom = 5 cm werden die Bewehrungsstähle auf gesamter Auflagerbreite mit Winkelhaken verankert.
→ Nachweis erfüllt


Verankerung außerhalb von Auflagern[1]

Verankerung der unteren Bewehrung in Feld 1:

Position der gesuchten Verankerungslänge


  • Ermittlung der Stahlspannung am rechnerischen Endpunkt E
Hierbei ist das Verhältnis aus erforderlicher und vorhandener Bewehrung zu bilden.
  • 2 Stäbe werden noch gebraucht
  • 5 Stäbe sind insgesamt vorhanden
Somit ist:
As,erf=6,28cm2 (2⌀20)
As,vorh=15,7cm2 (5⌀20)
As,vorh... Querschnittsfläche der ins Auflager geführten Bewehrungsstäbe


Die Stahlspannung errechnet sich zu:
  • Grundwert der Verankerungslänge
Guter Verbund (Bewehrung liegt unten), für Beton C25/30 ist somit fbd = 2,69 N/mm2
fbd... Verbundfestigkeit
s... Stabdurchmesser


  • Bemessungswert der Verankerungslänge
Beiwerte:
-Verankerung mit geradem Stabende → α1=1,0
-Keine angeschweißten Querstäbe → α4=1,0
-keine Querdruck- oder Querzugspannungen → α5=1,0
  • Mindestwert der Verankerungslänge
→ Mindestverankerungslänge wird nicht Maßgebend


Nachweis:
gewählte Verankerungslänge → 35 cm
→ Nachweis erfüllt


Nach dieser Vorgehensweise sind die Verankerungen aller Stabenden nachzuweisen.

→ Mit den errechneten Verankerungslängen lässt sich folglich nun auch die Zugkraftdeckungslinie für Variante b erstellen

Variante b - Zugkraftdeckungslinie „anschmiegende Funktion“

Für diese Variante sind die Verankerungslängen bereits vor dem Zeichnen der Zugkraftdeckungslinie anhand der Abstufungsschritte zu ermitteln.

Vollständige Zugkraftdeckungslinie „anschmiegende Funktion“ (rote Linie):

Orientierungspunkte beim Zeichnen sind die Bewehrungshorizonte und die rechnerischen Endpunkten E der Bewehrung. Die Bereiche mit linearen Verlauf lassen sich über die entsprechende Verankerungslänge konstruieren. Abstufungsschritte wie eingangs beschrieben.

Zugkraftdeckungslinie „anschmiegende Funktion“


Bewehrungslängen ermitteln

Über den gewählten Maßstab lassen sich anhand der Zugkraftdeckungslinie die tatsächlichen Stablängen und deren Position im Bauteil ermitteln. Die Verankerungslängen sind hierbei stets zu berücksichtigen. Zu beachten ist bei der Längenermittlung ebenfalls die Auflagerbreite der Endauflager. Denn das Zugkraftdiagramm bezieht sich nur auf die Abstände der rechnerischen Auflagerlinien.

  • Variante a - Zugkraftdeckungslinie „Stufenfunktion“
Vollständige Zugkraftdeckung „Stufenfunktion“ mit Auszug der Biegezugbewehrung. Die Verankerungslängen wurden blau gekennzeichnet und beginnen ab dem rechnerischen Endpunkt.
Vollständige Zugkraftdeckung „Stufenfunktion“


  • Variante b - Zugkraftdeckungslinie „anschmiegende Funktion“
Vollständige Zugkraftdeckung „anschmiegende Funktion“ mit Auszug der Biegezugbewehrung. Die Verankerungslängen wurden blau gekennzeichnet. Der Abstand zwischen zwei rechnerischen Endpunkten entspricht der Gesamtlänge eines Stabes.
Vollständige Zugkraftdeckung „anschmiegende Funktion“

Abschließende Betrachtung Berechnungsbeispiel - händisch

Das Ergebnis der Zugkraftdeckung sind Länge und Position der abgestuften Bewehrungsstähle. Diese Parameter lassen sich direkt für die Stabstahlliste und den Bewehrungsplan verwenden.

Eine händische Durchführung kommt heutzutage oftmals nur noch zu Lehrzwecken zur Anwendung. Die händische grafische Durchführung ist verhältnismäßig aufwendig und erfordert viele unterschiedliche und voneinander abhängige Einzelschritte, um zu dem endgültigen Ergebnis zu gelangen. Das Verfahren ist hierdurch, je nach Bemessungsaufgabe, teilweise relativ schnell fehlerbehaftet. Wird die Zugkraftdeckung händisch auf Millimeterpapier vollzogen, ist dies generell mit leichten zeichnerischen Toleranzen verbunden. Auch beim Abmessen der Stablängen anhand der Zugkraftdeckungslinie können leichte Ungenauigkeiten entstehen. Dennoch lassen sich brauchbare Ergebnisse erzielen, welche mit denen einer Softwarebemessung vergleichbar sind.

Betrachtung der Varianten:
Mit dem grafischen Verfahren lassen sich beide Varianten der Zugkraftdeckung vollziehen. Beide Varianten ergeben aufgrund ihrer Unterschiede bezüglich des Ansatzes der Tragfähigkeit in der Verankerungslänge unterschiedliche Bewehrungslängen.
Zum Vergleich:
  • Variante a - Zugkraftdeckungslinie „Stufenfunktion“
Erforderliche Menge an Bewehrungsstahl (Längsbewehrung): 85,39 m Stabstahl ⌀20
Dies entspricht einem Gewicht von 210,9 kg
  • Variante b - Zugkraftdeckungslinie „anschmiegende Funktion“
Erforderliche Menge an Bewehrungsstahl (Längsbewehrung): 75,84 m Stabstahl ⌀20
Dies entspricht einem Gewicht von 187,3 kg
  • Keine Zugkraftdeckung (Bewehrung nicht abgestuft)
Erforderliche Menge an Bewehrungsstahl (Längsbewehrung): 103,50 m Stabstahl ⌀20
Dies entspricht einem Gewicht von 255,6 kg


Fazit:
Mit Variante b lässt sich im Vergleich zu Variante a grundsätzlich noch mehr Bewehrungsstahl einsparen. Am Betrachtungsbeispiel sind dies 23,6 kg. Das entspricht einer Einsparung von circa 11%. Nach aktuellem Handelspreis (März 2024; Angabe ohne Gewähr) würde sich für das betrachtete Bauteil daraus eine Einsparungssumme von etwa 30,00 € ergeben.
Im Vergleich zu einer durchlaufenden, nicht abgestuften Bewehrungsführung ergibt sich durch Variante a eine Materialeinsparung von 17,5% und durch Variante b eine Einsparung von 26,7%.

Berechnungsbeispiel Software mb-BauStatik

Im Folgenden werden kommentierte Auszüge aus dem Berechnungsmodul „Stahlbeton-Durchlaufträger (S340.de)″ aus der mb-BauStatik-Software aufgeführt. Hierbei liegt der Fokus bei der Zusammenstellung der für die Zugkraftdeckung notwendigen Bemessungsinhalte.

Bemessung

Statisches System und Bauteilansicht


Bauteilquerschnitt


Belastungen auf das System


Momentengrenzlinie


Biegebemessung


Querkraftbemessung (Druckstrebenneigungswinkel)

Erläuterung Auswahl - und Einstellungsmöglichkeiten zur Zugkraftdeckung

Die Durchmesser der Längsbewehrung wurden ausschließlich auf 20 mm festgelegt.

Durchmesser der Längsbewehrung


Bei der Einstellung zur Staffelung wurde „unabhängige Staffelung“ gewählt. Hiermit konnte die Staffelung in etwa an die Abstufungsschritte aus der händischen Durchführung angepasst werden. Das manuelle vorgeben der Stufenzahl führte zu keinem brauchbaren Ergebnis, da sich nicht zwischen oberer und unterer Bewehrungslage differenzieren lässt.

Staffelung


Für das Versatzmaß ist das Abstandsmaß der vom Stegrand ausgelagerten Bewehrung relevant. Diesbezüglich lassen sich in der Software kein Informationen finden. Die Vergleichbarkeit zum händischen Berechnungsbeispiel ist hierbei somit nicht eindeutig möglich. Gewählt wurde „nach Norm“.

ausgelagerte Stützbewehrung


Die Zuggurtkraftdifferenz soll über das Versatzmaß berücksichtigt werden.

Variante zur Berücksichtigung der Zuggurtkraftdifferenz


In Berücksichtigung der konstruktiven Regeln zur Bewehrungsführung sollen mindestens 25% der Bewehrung zum Auflager geführt werden.

Steuerung der Längsbewehrung


Zugkraftdeckung

Als Ausgabe im Programm erhält man eine Zugkraftdeckungslinie mit den entsprechenden Bewehrungsauszügen. Ermöglicht wird die Zugkraftdeckung in mb-BauStatik alleinig nach der Variante „Stufenfunktion“ (nach DIN 1045-1).

Die Staffelung der oberen Längsbewehrung ließ sich aufgrund fehlender Einstellmöglichkeit nicht äquivalent zum händischen Berechnungsbeispiel wählen.

Zugkraftdeckungslinie


Bewehrungswahl in Tabellenform:

Bewehrungswahl (Biegezugbewehrung)

Berechnungsbeispiel Software Harzer-Baustatik

Im Folgenden werden kommentierte Auszüge aus dem Berechnungsmodul „Stahlbetonträger“ aus der Software Harzer-Baustatik aufgeführt. Hierbei liegt der Fokus bei der Zusammenstellung der für die Zugkraftdeckung notwendigen Bemessungsinhalte.

Bemessung

Statisches System und Belastung


Bauteilansicht


Systemwerte


Momentengrenzlinie


Erforderliche Biegebewehrung


Die Durchmesser der Längsbewehrung wurden ausschließlich auf 20 mm festgelegt.

Bewehrungswahl


Druckstrebenneigungswinkel

Zugkraftdeckung

Im Modul lässt sich keine Auswahl oder Einstellung zur Zugkraftdeckung treffen. Auf welche Weise die Zuggurtkraftdifferenz erfasst wird, bleibt unbekannt.

Linie der erforderlichen Bewehrungsmenge


Das Modul erstellt keine eigene Zugkraftdeckungslinie. Es gibt jedoch die Funktion, die Zugkraftlinie maßstäblich zu plotten. Hiermit kann die Zugkraftdeckung händisch oder durch Einlesen der Datei in externe Zeichenprogramme vollzogen werden. Nach welcher Variante die Zugkraftdeckung hierbei vollzogen wird, bleibt dem Bearbeiter freigestellt. Die Skalierung der Ordinate entspricht dem Bewehrungsquerschnitt As in cm2.

Linie der erforderlichen Bewehrungsmenge (maßstäblicher Plot)


Die Verankerungslängen sind einzeln in einem gesonderten Modul zu bestimmen. Hierbei ist je nach gesuchter Verankerungslänge das Verhältnis aus As,erf und As,vorh einzutragen.

Modul - Verankerungslänge


Zugkraftdeckung:

Die Verankerungslängen wurden separat in einem anderen Modul bestimmt. Die Abstufungsschritte wurden in Anlehnung an das händische Berechnungsbeispiel vorgenommen. Erstellt wurde die Zugkraftdeckungslinie mit einem externen Zeichenprogramm anhand des maßstäblichen Plot aus dem Berechnungsmodul.

Zugkraftdeckungslinie

Vergleich der Berechnungsergebnisse

Verglichen werden kann folglich jeweils nur die Variante der Zugkraftdeckung als „Stufenfunktion“, da die Software mb-BauStatik ausschließlich diese Variante als Möglichkeit bietet.

Zugkraftdeckungslinien der verschiedenen Berechnungen


Ergebnis der Zugkraftdeckung sind die Stablängen der abgestuften Bewehrungsstähle. Diese werden anhand der Zugkraftdeckungslinie ermittelt. Die Zugkraftdeckungslinie richtet sich nach dem Verlauf der Stahlzugkraft Fs (Zugkraftlinie). Im Falle der Softwarebemessung erfolgt die Zugkraftdeckung anhand der Linie der erforderliche Biegezugbewehrung. Beides lässt sich aufgrund der Äquivalenz der Verläufe trotzdem miteinander vergleichen. Bei der händischen Berechnung sind der gesamte Berechnungsablauf und die dafür Verwendeten Eingangswerte schrittweise veranschaulicht und somit direkt nachvollziehbar. Bei der Softwarebemessung hingegen bleiben die Berechnungsansätze der Zugkraftdeckung weitestgehend unbekannt und sind nicht ohne weiteres einsehbar.

In folgender Tabelle sind die Stab- und Verankerungslängen der abgestuften Bewehrungsstähle aufgelistet:

Stablängen der Berechnungsvarianten


Für den Vergleich zwischen den Berechnungsarten ist die Grundlänge der Stäbe am aussagekräftigsten. Hierbei lässt sich feststellen, dass die Stab – Grundlängen aus den beiden Softwarebemessungen nahezu identisch sind. Somit ist anzunehmen, das hierbei gleiche Berechnungsansätze zur Anwendung kamen. Die aus der händischen Zugkraftdeckung ermittelten Stablängen sind zumeist eher größer, vereinzelt aber auch etwas kleiner als die Längen aus der Softwarebemessung.

  • Mögliche Ursachen für Unterschiede bei den Stablängen:
Da die Grundlängen der Stäbe aus den Softwareanwendungen nahezu identisch sind, ist generell die Abweichung im Vergleich zur Handrechnung zu Betrachten.
Die verwendeten Druckstrebenneigungswinkel sind bei allen drei Berechnungen einsehbar und nahezu gleich. Unter der Annahme deren Verwendung in Verbindung mit der Zugkraftdeckung können die Differenzen hieraus nicht resultieren.
Die Berücksichtigung der Zuggurtkraftdifferenz erfolgt sowohl bei der mb Software, als auch bei der Handrechnung über das Versatzmaß al. Dieses errechnet sich unter anderem aus dem Hebelarm der inneren Kräfte z. Bei der Handrechnung wurde das Versatzmaß vereinfacht zu 0,9 · d bestimmt. Die Größe der verwendeten Versatzmaße lassen sich in den Softwares nicht einsehen. Unter der Annahme, das dort zum Bestimmen der Versatzmaße die genaueren Werte für z aus der Biegebemessung verwendet wurden, würden sich größere Versatzmaße und somit größere Stablängen als bei der Handrechnung ergeben. Daher sind die Abweichungen der Stablängen höchstwahrscheinlich nicht auf das Versatzmaß zurückzuführen. Ebenfalls ist bei den Softwareberechnungen nicht einsehbar in wieweit das Maß der ausgelagerten Bewehrung bei der oberen Bewehrung am Plattenbalken berücksichtigt wurde. Dieses spielt bei der Größe des Versatzmaßes ebenfalls eine Rolle.
Die ermittelten Verankerungslängen sind bei der Handrechnung identisch mit den Werten aus der Harzer-Software. Bei den in der mb-Software ermittelten Verankerungslängen sind teilweise etwas höhere Abweichungen zu den Werten der anderen beiden Vergleichsberechnungen festzustellen. Zurückzuführen ist dies vermutlich auf den Berechnungsansatz zur Ermittlung der Stahlspannungen am Verankerungsbeginn.
Die Verankerungslängen am Endauflager sind bei der mb-Software für ein gerades Stabende angegeben. Die Software verweist hierbei darauf, das eine gesonderte Verankerungsform zu wählen ist. Somit sind die Verankerungslängen am Endauflager nicht direkt miteinander vergleichbar, da bei den anderen beiden Berechnungsarten bereits die Verankerung mit Winkelhaken berücksichtigt wurde und damit die Länge der Verankerung entsprechend kürzer ist.
Als wohl maßgebendste Ursache für die Unterschiede in den Stablängen ist die Zugkraftlinie bzw. Linie der erforderlichen Bewehrung in Betracht zu ziehen. Grundlage für die Zugkraftlinie ist bei den drei Berechnungsvarianten jeweils die gleiche Momentengrenzlinie. Aus der Momentengrenzlinie wird über den Hebelarm der inneren Kräfte z die Zugkraftlinie bestimmt. Bei der Handrechnung erfolgte dies mit der auf der sicheren Seite liegenden Annahme z = 0,9 · d. In der Softwarebemessung wurde hierfür sehr wahrscheinlich der genaue Wert für z verwendet. Da dieser im Regelfall größer als bei der vereinfachten Annahme z = 0,9 · d ausfällt, führt dies zu einer rechnerisch etwas geringeren Zugkraft. Das heißt, die Zugkraftlinie fällt damit kleiner aus. Hieraus resultieren dann kürzere Stablängen. Gut erkennbar ist dieser Unterschied an den Abständen der Zugkraftlinien zum Bewerhrungshorizont der größten Stabanzahl. Die Bewehrungshorizonte sind in allen Berechnungsvarianten auf der gleichen Ebene. Vergleicht man daraufhin die Abstände der Zugkraftlinien an den Extremstellen zum Bewehrungshorizont, ist festzustellen, dass die Zugkraftline der Handrechnung größer ausfällt.
Ebenfalls können Zeichen- oder Messungenauigkeiten bei der händischen Durchführung der Zugkraftdeckung zu den Abweichungen der Stablängen beitragen.
  • Schlussfolgerungen:
Die ermittelten Stablängen der einzelnen Varianten bewegen sich neben geringfügigen Abweichungen alle in einer ähnlichen Größenordnung. Somit liegt die Zugkraftdeckung bei keiner der betrachteten Varianten besonders verstärkt auf der sicheren Seite. Für Bewehrungskonstruktionen im Stahlbetonbau sind die Längenabweichungen überwiegend unverhältnismäßig und eher von untergeordneter Bedeutung. Generell bietet die betrachtete Zugkraftdeckung als „Stufenfunktion“ (nach DIN 1045-1) ein gewisses Maß an Sicherheiten zum Ausgleichen von kleineren Abweichungen. Schadensfälle durch eine vermeidlich zu unpräzise Zugkraftdeckung sind eher unwahrscheinlich.
Schlussendlich wird jede der 3 betrachteten Varianten den Bestimmungen aus der Norm gerecht. Demzufolge ist das Durchführen der Zugkraftdeckung mit den vorgestellten Varianten problemlos möglich und die Auswahl des Verfahrens bleibt dem Anwender überlassen.


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Versatzmaß



Quellen

  1. 1,0 1,1 1,2 1,3 1,4 Bolle, G: Vorlesungsunterlagen Stahlbetonbau I, Hochschule Wismar, 2022


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