Abfließen der Hydratationswärme: Unterschied zwischen den Versionen

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Version vom 18. März 2019, 19:19 Uhr

Allgemeines

Die ersten Zwangsbeanspruchungen entstehen durch das Abfließen der Hydratationswärme. Dadurch entstehen im Bauteil Zugbeanspruchungen und bei größeren Bauteildicken zusätzlich Eigenspannungen aufgrund einer Temperaturdifferenz im Bauteilquerschnitt.

Ablauf der Hydratation

Nach dem Betoniervorgang beginnt der Beton über mehrere Stunden zu erstarren. Während dieser Zeit setzt die Hydratation ein. Ein Teil des sich im Zementleim befindenden Wassers wird im Zement chemisch gebunden und es entsteht Zementstein. Im Beton steigt während dieses Vorgangs zunächst die Temperatur an. Gleichzeitig wird das Bauteil über seine Oberfläche abgekühlt. Der Temperaturanstieg im Bauteil kommt zum Erliegen, wenn über die Bauteiloberflächen mehr Wärme an die Umgebung abgegeben wird, als sich im Bauteil entwickelt. Im weiteren Verlauf kühlt sich das Bauteil ab, was als das Abfließen der Hydratationswärme bezeichnet wird.
Während des Erstarrens des Betons entwickeln sich seine mechanischen Eigenschaften, abhängig unter anderem von der Zementart, dem Wasserzementwert und der Temperaturentwicklung. Sobald diese in ausreichender Größe vorhanden sind, beginnt die Erhärtung des Betons und das Bauteil kann belastet werden. [1]

Entstehung der Zwangsspannungen

Entwicklung der Temperatur und der Spannungen beim Abfließen der Hydratationswärme [F 1]

Der Temperaturanstieg im Bauteil führt zu Verformungen im jungen Beton. Erst wenn der sich entwickelnde Elastizitätsmodul eine Größe erreicht, die den Verformungen einen Widerstand entgegensetzt, entstehen Spannungen. Ab der 1. Nullspannungstemperatur, im nebenstehenden Bild bei der Erhärtungszeit t = 0 Stunden, entstehen im Bauteilkern Druck- und am Bauteilrand Zugspannungen infolge der Temperaturdifferenz. Durch die Relaxation des jungen Betons, welche bei konstanter Dehnung einen Rückgang der Spannungen zur Folge hat, werden die Druckspannungen begrenzt. Übersteigt die Temperaturdifferenz zwischen Bauteilkern und Bauteilrand den Wert ΔT ≥ 15 K, ist die Bildung von Oberflächen- und Schalenrissen wahrscheinlich. Um die Rissbildung zu begrenzen, sollte sich die Betonzugfestigkeit am Bauteilrand mit mindestens gleicher Geschwindigkeit wie die Zugspannungen entwickeln. Durch das Anbringen einer Dämmung kann die Temperaturdifferenz im Bauteilquerschnitt verringert werden, jedoch kann dadurch die maximale Bauteiltemperatur und damit auch die zentrischen Zwangsspannungen ansteigen.
Das Temperaturmaximum wird bei normalen Umgebungsbedingungen (Verwendung einer Holzschalung, kein Wind, mäßige Außentemperaturen) nach ungefähr 1 bis 2 Tagen erreicht, abhängig von der Zementart und der Bauteildicke. Bei dickeren Bauteilen sowie bei langsam erhärtenden Zementen wird die maximale Bauteiltemperatur später erreicht, als bei dünneren Bauteilen oder schnell erhärtenden Zementen. Mit zunehmender Bauteildicke erreicht die Temperatur im Bauteilkern außerdem zum Teil deutlich höhere Werte.[F 1]
Danach fällt die Temperatur im Bauteilkern um ca. 5 bis 10 K pro Tag ab, wodurch zunächst die Druckspannungen im Bauteilkern und die Zugspannungen am Bauteilrand abgebaut werden. Durch die entstehende Temperaturdifferenz nach dem Unterschreiten der 2. Nullspannungstemperatur bauen sich im Bauteil Zwangszugspannungen auf. Diese zwangsspannungswirksame Temperaturdifferenz wird von der 2. Nullspannungstemperatur bis zum Erreichen der Ausgleichstemperatur bestimmt. Da sich die 2. Nullspannungstemperatur im Bauteil jedoch nicht messen lässt, wird diese über die maximale Bauteiltemperatur mit

2. Nullspannungstemperatur
maximale Bauteiltemperatur

angenähert. Die zwangsspannungsrelevante Temperaturdifferenz ergibt sich damit zu

.
zwangsspannungsrelevante Temperaturdifferenz
Umgebungstemperatur

Unter Berücksichtigung wesentlicher Einflüsse, wie der Schalungsart, der Zementart, des Zementgehaltes und der Bauteildicke, auf die Entwicklung der Temperatur werden die entstehenden Temperaturdifferenzen in Tabellen aufgelistet. Siehe hierzu ein Beispiel aus Röhling, S.; Meichsner, H.: Rissbildung im Stahlbetonbau.[F 1]

zwangsspannungswirksame Temperaturdifferenz [K] [F 1]
1 2 3 4 5 6 7 8 9
Bauteildicke h [m] Stahlschalung Holzschalung
Zementgehalt z [kg/m3] Zementgehalt z [kg/m3]
220 290 360 400 220 290 360 400
1 0,30 12 16 19 21 19 24 29 32
2 0,50 19 24 29 32 24 31 37 41
3 0,70 24 31 37 41 28 36 44 48
4 1,00 29 38 46 50 32 41 50 55


Auch die entstehenden Zugspannungen werden durch die Relaxation abgebaut, jedoch nur in geringem Maße. Je größer der Einfluss der Relaxation auf die Druckspannungen ist, desto geringer wirkt die Relaxation auf die Entstehung der Zugspannungen. [F 1]
Sobald die Zugspannungen größer als die zu diesem Zeitpunkt im Beton entstandene Zugfestigkeit sind, entstehen im Bauteil Trennrisse. Dies ist bei der im obigen Bild dargestellten kritischen Temperaturdifferenz der Fall. Um die Rissbildung zu begrenzen, muss sich die Zugfestigkeit des Betons mit mindestens gleicher Geschwindigkeit entwickeln, wie sich das Bauteil abkühlt. [F 1]

Beeinflussung der entstehenden Spannungen

Die entstehenden Zugspannungen werden durch die maximale Bauteiltemperatur und die Geschwindigkeit, mit der die Hydratationswärme abfließt, beeinflusst. Die maximale Bauteiltemperatur lässt sich durch die Art und Menge des Zementes, der Bauteildicke und dem Wärmeübergangswiderstand an den Bauteilrändern bestimmen. Zum Beispiel bedeutet ein größerer Zementgehalt eine höhere Temperaturentwicklung infolge der Hydratationswärme und damit größere Zugspannungen und ein erhöhtes Rissrisiko. Gleichzeitig wird mit dem größeren Zementgehalt aber auch eine höhere Bauteilfestigkeit bewirkt.
Eine geringere Wärmeentwicklung im Bauteil wird zum Beispiel mit Zementen mit niedriger Wärmeentwicklung erreicht. In diesen Fällen muss jedoch eine ausreichende Frühfestigkeit nachgewiesen werden.
Eine andere Möglichkeit eine hohe Festigkeit bei geringer Wärmeentwicklung zu erreichen, ist die Anwendung von Zusatzstoffen, wie Flugasche, die die Betonfestigkeit erhöhen, aber nur geringfügig die Wärmeentwicklung beeinflussen.[F 2] [F 1]

Quellen

Fachliteratur
  1. Röhling, S.: Zwangsspannungen infolge Hydratationswärme. Düsseldorf 2005



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