Schwinden

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chemisches Schwinden

Infolge des Hydratationsprozesses werden Teile des Anmachwassers chemisch gebunden. Die daraus entstehenden Hydrate weisen ein geringeres Volumen als die verwendeten Ausgangsstoffe auf. Den Vorgang der Volumenverringerung, welcher die Hydratation vom Anfang bis zum Ende begleitet, bezeichnet man als chemisches Schwinden. Durch einen Feuchteentzug infolge Austrocknen oder dem Fortschreiten der Hydratation kann das chemische Schwinden unterbrochen werden. Trocknet das Bauteilinnere nahezu vollständig aus, entsteht ein Hydratationssog, der bei ausreichender Nachbehandlung Wasser in die Poren zieht. In den Randbereichen des Bauteils kommt der Hydratationsvorgang somit nicht zum Erliegen.
Im plastischen Zustand des Betons treten keine Spannungen infolge der Verformungen auf. Erst mit Zunahme der Steifigkeit nehmen die Verformungsfähigkeit und das Schwindmaß ab. Ab diesem Zeitpunkt werden die Schwindverformungen des chemischen Schwindens als autogenes Schwinden bezeichnet.[1]

autogenes Schwinden

Zunächst verlaufen das autogene und das chemische Schwinden parallel ab. Mit zunehmender Steifigkeit wird den Verformungen ein Widerstand entgegengesetzt, der Spannungen hervorrufen kann. Ab diesem Zeitpunkt wird das Schwinden als autogenes Schwinden bezeichnet.
Durch eine fortschreitende Hydratation trocknet das Bauteilinnere aus und es entstehen Kapillarspannungen im Porensystem des Betons. Durch die zunehmende Steifigkeit des Gefüges sind keine Verformungen mehr möglich, was zur Entstehung von Spannungen und Mikrorissen an den Kontaktflächen der Gesteinskörnung oder der Bewehrung führt. Diese Mikrorisse können Ausgangspunkte für eine spätere Rissbildung sein oder sich an Trennrissen beteiligen.
Da das autogene Schwinden in Kombination mit der Hydratation stattfindet, entwickelt sich im Querschnitt kein Feuchteprofil und somit entstehen nur zentrische Zwangsspannungen. Sollte jedoch schon ein Feuchtigkeitsprofil im Querschnitt vorhanden sein, können auch Eigenspannungen auftreten.[1]
Das autogene Schwinden tritt nur in Verbindung mit der Hydratation auf, sodass es in den ersten Wochen nach dem Betonieren berücksichtigt werden muss. Durch diesen langen Zeitraum ist eine Überlagerung von autogenem Schwinden und dem Trocknungsschwinden nicht auszuschließen.[1]

Trocknungsschwinden

Durch den Feuchtigkeitsausgleich zwischen dem Porenraum und der Luft verdunstet im Bauteil nicht chemisch gebundenes Wasser an der Bauteiloberfläche. Das Fehlen des Wassers bewirkt eine Volumenverringerung des Zementsteines. Bei einer Verformungsbehinderung durch z.B. die Gesteinskörnung oder den Bewehrungsstahl entstehen Kapillarkräfte in den Poren. Infolge der Ausbildung eines Feuchtigkeitsprofils im Bauteilquerschnitt entstehen sowohl zentrische Zwangs- als auch Eigenspannungen. Die auftretenden Spannungen werden teilweise durch die Relaxation abgemindert. In Sohlplatten können zusätzlich Biegemomente infolge einer Aufwölbung entstehen.
Da der Feuchtigkeitsausgleich zwischen der Umgebung und dem Bauteil unvermeidbar ist, beeinflusst eine Nachbehandlung nur den Beginn und den Verlauf des Trocknungsschwindens.[1] Das hieraus resultierende Schwindmaß wird durch den zeitlichen Verlauf der Austrocknung des Bauteils bestimmt und ist damit abhängig von der relativen Luftfeuchte, der Temperatur und dem Verhältnis der Fläche zum Umfang des Bauteils. Bei großen Bauteildicken wird die Ausgleichsfeuchte und das Endschwindmaß erst nach mehreren Jahren erreicht.
Das autogene Schwinden und das Trocknungsschwinden treten meisten zeitlich versetzt auf, bei frühzeitigem Austrocknen der Bauteiloberfläche können sie sich jedoch auch überlagern.[1]

Gesamtschwindmaß

Das Gesamtschwindmaß setzt sich nach DIN EN 1992-1-1[2] aus den Anteilen des autogenen Schwindens und des Trocknungsschwindens zusammen.

Gesamtschwinddehnung
Trocknungsschwinddehnung des Betons
autogene Schwinddehnung

In Abhängigkeit der Zeit ergibt sich die Trocknungsschwinddehnung zu

.
Faktor, der von der wirksamen Querschnittsdicke h0 abhängig ist
Grundwert der unbehinderten Trocknungsschwinddehnung

Der Grundwert der unbehinderten Trocknungsschwinddehnung lässt sich aus der folgenden Tabelle ablesen oder mit der Formel im Anhang B.2 der DIN EN 1992-1-1 ermitteln.

Grundwert der unbehinderten Trocknungsschwinddehnung εcd,0 [%] CEM Klasse N nach DIN EN 1992-1-1 [2]
1 2 3 4 5 6 7
fck/fck,cube

[N/mm2]

relative Luftfeuchte [%]
20 40 60 80 90 100
1 20/25 0,62 0,58 0,49 0,30 0,17 0
2 40/50 0,48 0,46 0,38 0,24 0,13
3 60/75 0,38 0,36 0,30 0,19 0,10
4 80/95 0,30 0,28 0,24 0,15 0,08
5 90/105 0,27 0,25 0,21 0,13 0,07
Anmerkung: Weitere Grundwerte für die unbehinderte Trocknungsschwinddehnung εcd,0 sind für die Zementklassen S, N, R und die Luftfeuchten RH = 40% bis RH = 90% im Anhang B der DIN EN 1992-1-1 als Tabellen NA B.1 bis NA B.3 ergänzt.
ein Beiwert zur Berücksichtigung der Zementart
αds1 = 3 für Zemente der Klasse S
αds1 = 4 für Zemente der Klasse N
αds1 = 6 für Zemente der Klasse R
ein Beiwert zur Berücksichtigung der Zementart
αds2 = 0,13 für Zemente der Klasse S
αds2 = 0,12 für Zemente der Klasse N
αds2 = 0,11 für Zemente der Klasse R
mittlere Zylinderdruckfestigkeit des Betons
= 10 N/mm2
relative Luftfeuchte der Umgebung
= 100 %

Für den Faktor kh sind in Abhängigkeit der wirksamen Querschnittsdicke h0 in der nachfolgenden Tabelle aus der DIN EN 1992-1-1 Werte vorgegeben.

Beiwert kh [2]
1 2
h0 [mm] kh
1 100 1,0
2 200 0,85
3 300 0,75
4 ≥ 500 0,70

Der Beiwert ermittelt sich nach folgender Formel.

Alter des Betons in Tagen zum betrachteten Zeitpunkt
Alter des Betons in Tagen zu Beginn des Trocknungsschwindens. Normalerweise das Alter am Ende der Nachbehandlung.
wirksame Querschnittsdicke in Millimeter

Die wirksame Querschnittsdicke ergibt sich zu

.
Betonquerschnittsfläche
Umfangslänge der dem Trocknen ausgesetzten Querschnittsfläche

Die autogene Schwinddehnung lässt sich nach folgender Formel ermitteln.

mit t in Tagen
Endwert der autogenen Schwinddehnung


In Abhängigkeit der Betonzusammensetzung treten das autogene Schwinden und das Trocknungsschwinden in unterschiedlicher Größe auf. Aufgrund des geringeren Wasserzementwertes in hochfesten Betonen sind die Auswirkungen des autogenen Schwindens größer. Bei Normalbetonen hat das Trocknungsschwinden, aufgrund des höheren Wasserzementwertes jedoch einen größeren Einfluss.[1]

Quellen

Fachliteratur / Normen
  1. 1,0 1,1 1,2 1,3 1,4 1,5 Röhling, S.; Meichsner, H.: Rissbildung im Stahlbetonbau. Ursachen - Auswirkung - Maßnahmen. Stuttgart 2018
  2. 2,0 2,1 2,2 DIN EN 1992-1-1 Bemessung und Konstruktion von Stahlbeton- und Spannbetontragwerken. Teil 1-1: Allgemeine Bemessungsregeln und Regeln für den Hochbau mit Nationalem Anhang. Beuth Verlag GmbH 2016