Zwang - Bauteile mit wesentlichen Zwangsbeanspruchungen
Sohlplatten
Allgemeines
Die Sohlplatte ist der untere Gebäudeabschluss und muss die gesamte Bauwerkslast in den Untergrund einleiten.
Schon bei der Herstellung der Sohlplatte wird diese vom Boden beeinflusst. Durch die Temperaturentwicklung beim Abfließen der Hydratationswärme, beim Bauteilschwinden und bei Temperaturunterschieden durch die Witterung möchte sich die Sohlplatte verformen, wird aber vom Boden daran gehindert. In Abhängigkeit der Größe und Belastung der Platte und dem Untergrund verändert sich die Größe der Verformungsbehinderung und damit auch die Größe der Zwangsspannungen. Bei einer Sohlplatte mit ebener Unterseite wird die Plattenbewegung nur durch die Reibung auf dem Boden behindert, was zur Ausbildung eines Verformungsnullpunktes in Plattenmitte führt. Durch die Anordnung von Festhaltungen wie z.B. bei tiefergehenden Fundamentabschnitten oder Aufzugschächten, erhöht sich die Verformungsbehinderung, da sich die Sohlplatte nur noch in Richtung des Festpunktes bewegen kann. Es entsteht eine Situation, die dem vollen Zwang gleichkommt. [1]
Steigt die Plattendicke an, erhöhen sich auch die Zwangsspannungen. Durch die Nachgiebigkeit des Untergrundes werden diese in der Platte jedoch wieder reduziert.
Vereinfacht kann angenommen werden, dass sich die Platte allseitig und gleichmäßig verformt. Somit liegt der Verformungsnullpunkt bzw. der Verformungsruhepunkt in Plattenmitte und die risskritischen Bereiche liegen in seiner Nähe. Tatsächlich existieren jedoch unterschiedliche Bedingungen für die Bewegung der Sohlplatte, welche Interaktionen in Abhängigkeit der Steifigkeitsverhältnisse hervorrufen.
Bei der Annahme einer elastischen und verschieblichen Verbindung verhalten sich die Sohlplatte und der Untergrund wie ein zusammenwirkendes Verbundsystem. Das bedeutet, dass bei größeren Plattendicken die Nachgiebigkeit des Bodens eine Verringerung der Behinderung und damit auch der zentrischen Zwangsspannungen bewirkt.
Die zweite Interaktion beschreibt das Gleiten der Sohlplatte auf dem Untergrund mit großen Relativverschiebungen. Hierbei kann sich die Sohlplatte geringerer Dicke durch große Verschiebungen vom Untergrund lösen. Die Platte ist somit nur noch durch die Reibung behindert, eine Verzahnung mit dem Untergrund existiert nicht mehr.
Ein Grenzfall wird durch die dritte Annahme beschrieben. Bei sehr großen Plattenausdehnungen entstehen in Plattenmitte Bereiche mit vollständiger Dehnungsbehinderung. Das Gleiten der Platte wird hierbei durch die geringen, auftretenden Verschiebungen eingeschränkt.[1]
Reibungsbeiwert
Die Verformung der Sohlplatte wird durch das Aufliegen auf dem Untergrund behindert. Die Größe dieser Behinderung wird durch den Reibungskoeffizienten μF [1] bzw. Reibungsbeiwert μ0 [2] ausgedrückt und ist einerseits von der Flächengröße, der Körnung und der Kohäsion des Bodens und andererseits vom Verschiebungsbetrag und der vertikalen Belastung der Sohlplatte abhängig. Aus dem Reibungsbeiwert und der vertikalen Belastung der Sohlplatte ergibt sich die Scherfestigkeit zu
- .
Scherfestigkeit vertikale Spannung Reibungsbeiwert
Beim Überschreiten dieser Scherfestigkeit bewegt sich die Sohlplatte und es werden der Bewegung entgegengerichtete Reaktionskräfte in der Fuge zum Untergrund ausgelöst, welche in der Sohlplatte Zwangsspannungen erzeugen.
Die Größe der rückhaltenden Kräfte kann durch die Auflagerbedingungen beeinflusst werden. In der folgenden Tabelle werden Vorschläge für die Reibungsbeiwerte unterschiedlicher Unterkonstruktionen in Kombination mit verschiedenen Trennlagen angegeben. Es ist zu beachten, dass der Sicherheitsbeiwert der Reibung nach "Weiße Wannen - einfach und sicher" [3] mit γR = 1,25 und nach "Lohmeyer Stahlbetonbau" [2] mit γR = 1,35 angegeben ist.
1 | 2 | 3 | |
Unterkonstruktion a) | Trennlage | Reibungsbeiwert μ0 für die erste Verschiebung | |
---|---|---|---|
1 | grobkörniger Baugrund ohne Sandbettung | keine | 1,4 … 2,1 e) |
2 | Kies-Sand-Bodenaustausch (nicht bindig) | bei Dicke der Bodenplatte h = 0,2m | > 1,4 |
3 | bei Dicke der Bodenplatte h = 0,8m | ≈ 0,9 | |
4 | sandiger Baugrund oder grobkörniger Baugrund mit Sandbettung unter der Sohlplatte | keine | 0,9 … 1,1 e) |
5 | Noppenbahn (d ≈ 0,6mm) | 0,8 … 1,0 d), e) | |
6 | 1 Lage PE-Folie b) | 0,5 … 0,7 d), e) | |
7 | Sandbett (Dicke 6 … 10cm, mittlere Korngröße 0,35mm) | keine (Direktauflagerung auf nicht feinkörnigem, bindigem Boden) | 0,7 |
8 | Perimeterdämmung auf Unterbeton bei beliebigem Baugrund | bei Dicke der Bodenplatte h ≤ 0,3m | ≈ 0,8 d) |
9 | bei Dicke der Bodenplatte h ≥ 0,8m | ≈ 0,5 d) | |
10 | Unterbeton abgezogen (makrorau) | 2 Lagen PE-Folie b) je 0,2mm: | |
11 | bei Dicke der Bodenplatte h = 0,3m | ≤ 2,0 | |
12 | bei Dicke der Bodenplatte h = 1,5m | ≤ 1,3 | |
13 | Bitumenschweißbahn c) | 0,35 … 0,7 d), e) | |
14 | Dickbitumen c) | 0,03 … 0,2 d), e) | |
15 | Trennschicht aus 2 Lagen dicker PE-Folie b) mit zwischenliegender Schicht aus Silikonfett als Schmiermittel | ≈ 0,8 | |
16 | Unterbeton mit Flügelglättung | 1 Lage PE-Folie b) | 0,8 … 1,4 d), e) |
17 | 2 Lagen PE- Folie b) | ≤ 0,8 | |
18 | mit PTFE b) beschichtete Folie | 0,2 … 0,5 e) | |
19 | Trennschicht aus 2 Lagen dicker PE-Folie b) mit zwischenliegender Schicht aus Silikonfett als Schmiermittel | ≈ 0,3 | |
20 | 1- bis 2-lagige Bitumenschweißbahn c), stumpf gestoßen: | ||
21 | bei Dicke der Bodenplatte h = 0,3m | ≈ 0,45 | |
22 | bei Dicke der Bodenplatte h > 1,0m | ≈ 0,2 | |
23 | Sicherheitsbeiwert für Reibung h) | γR = 1,35 f) | |
24 | γR =1,25 g) | ||
25 | Bemessungswert der Reibung | ||
a) Die Oberfläche der Unterkonstruktion muss den Anforderungen der Ebenheit nach DIN 18202 entsprechen. b) PE = Polyethylen, PTFE = Polytetrafluor- Ethylen c) Bituminöse Trennschichten sind nur bei ausreichender Schichtdicke und Temperaturen in der Trennschicht >10°C wirksam. d) Vorschlag der Autoren der Fachliteraturquellen e) Bewegt sich der Reibungsbeiwert in einer Spannbreite empfehlen die Autoren der Fachliteraturquellen die Annahme des höheren Wertes, wenn kein Einfluss auf die Ausführung besteht. f) nach "Lohmeyer Stahlbetonbau" [2] und "Weiße Wannen einfach und sicher - 9.Auflage" [4] g) nach "Weiße Wannen einfach und sicher - 11.Auflage"[3] h) Die Autoren der Fachliteraturquellen empfehlen mit den angegebenen Sicherheitsbeiwerten zu rechnen, da die Auswahl des Reibungsbeiwertes mit einiger Unsicherheit behaftet ist. |
Durch eine direkte Auflagerung auf dem Boden mit Verzahnung, eine raue Oberfläche des Unterbetons, ungeeignete Folien oder durch schlechten Einbau der Folien (Faltenbildung) entstehen große Reaktionskräfte. Um den Reibungsbeiwert zu vermindern, können geeignete Folien zur Trennung des Frischbetons vom Untergrund eingesetzt werden. Durch eine Beschichtung der Folien kann der Reibungsbeiwert weiter vermindert werden. Bei der Verwendung von bituminösen Schweißbahnen ist zu beachten, dass sich bei abnehmender Temperatur der Trennlage die Reibung erhöht.
Eine weitere Möglichkeit die Reibung zwischen Sohlplatte und Boden zu verringern, ist die Möglichkeit der Gleitlagerung. Hierbei wird ein Luftpolster zwischen zwei Folien mit einer Zwischenlage aus Vlies hergestellt, welches die Eigenmasse der Sohlplatte kompensiert und die Interaktion zwischen der Sohlplatte und dem Boden während der Herstellung entkoppelt. Für die Luftlagerung wird ein Luftdruck von ca. 0,024bar pro 1cm Plattendicke benötigt, der nach dem Abfließen der Hydratationswärme wieder abgelassen werden kann.[1]
Entstehung von Zwangsspannungen
Die Zwangsbeanspruchungen in der Sohlplatte entstehen unter anderem durch das Abkühlen während des Abfließens der Hydratationswärme und des Schwindens des Betons. Zusätzlich dazu können aufgrund ungleichmäßiger Temperaturverteilungen im Bauteilquerschnitt oder der Interaktion mit dem Untergrund Biegemomente in der Platte entstehen. Bei dünneren Platten kann es infolge einseitiger Temperaturbeanspruchung durch die Lufttemperatur oder die Sonneneinstrahlung zur Aufwölbung der Plattenränder kommen. Bei größeren Plattendicken ist dies aufgrund des hohen Eigengewichtes nicht möglich, jedoch führen derartige Momentenbeanspruchungen zu zusätzlichen Zugspannungen.[1]
Zunächst entstehen in der Platte Eigen- und Zugspannungen infolge des Abkühlens oder des Austrocknens des Bauteils. Das Biegemoment entwickelt sich aufgrund der Temperaturverteilung im Querschnitt später und erreicht sein Maximum zeitlich nach dem der Zugspannungen. Mit zunehmender Bauteildicke steigt der Einfluss der Momentenbeanspruchung auf die Spannungsverteilung und das Rissbild an. Dies führt zu Biegerissen an der Plattenoberseite, gleichzeitig wird die Gefahr der Trennrissbildung herabgesetzt. Die zur Trennrissbildung nötigen Zwangsspannungen müssten im Querschnitt sehr große Zugspannungen erzeugen, was nur bei sehr steifen Untergründen z.B. Fels der Fall wäre.[1]
Durch das Betonieren in mehreren Arbeitsschritten bei großen Plattenabmessungen entstehen an den Arbeitsfugen zusätzliche Zwangsbeanspruchungen. Durch die höhere Steifigkeit des vorher betonierten Abschnittes wird die Verformung des später betonierten Abschnittes eingeschränkt bzw. ist eine Verformung des „jüngeren“ Abschnittes nur noch in Richtung des „älteren“ Abschnittes möglich.[1]
Rissbildung
Im Allgemeinen ist die Gefahr der Rissbildung in Sohlplatten geringer als in Wänden und sinkt mit steigender Plattendicke weiter ab. Trotzdem bilden sich in der Platte bei ungünstigen Bedingungen und großen Belastungen Risse aus.[1]
Wird die Verformung nur durch die Reibung auf dem Untergrund behindert, ordnen sich die Risse um den entstehenden Verformungsnullpunkt an. Bei zunehmender Beanspruchung und dem Auftreten eines Biegemomentes orientieren sich die weiteren Risse zum Bauteilrand hin.
Schränkt ein Festpunkt die Bewegungen der Sohlplatte ein, entsteht der erste Riss in Plattenmitte. Nehmen die Beanspruchungen zu, richten sich weitere Risse zum Plattenrand hin aus.
Häufig treten Risse auch an Arbeitsfugen von Sohlplatten auf, wenn diese in mehreren Abschnitten betoniert werden. Durch den Verbund von „älterem“ und „jüngerem“ Beton ist die Zugfestigkeit in diesem Bereich geringer als im restlichen Bauteil.
Beeinflusst wird die Rissbildung durch die entstehenden Spannungen und Dehnungen zum Beispiel infolge der Temperaturentwicklung während des Abfließens der Hydratationswärme und dem Schwinden. Weiterhin nehmen der Untergrund, über den Reibungsbeiwert, und die reibungswirksame Plattenlänge, bestimmt über die Anordnung von Fugen oder Festpunkten, Einfluss auf die Entstehung der Zwangsbeanspruchungen und der Risse.[1]
Um die Rissbreiten in der Sohlplatte zu begrenzen, muss nach DIN EN 1992-1-1 [5] eine Mindestbewehrung zur Rissbreitenbegrenzung angeordnet werden.
Maßnahmen zur Verringerung der Zwangsbeanspruchungen
Wird eine Bewegung auf dem Untergrund ermöglicht, verringern sich die Zwangsbeanspruchungen in der Sohlplatte. Durch den Einbau von geeigneten Unterkonstruktionen und Trennlagen lässt sich der Reibungsbeiwert verringern. Weiterhin sollte die Platte nicht durch Festpunkte, z.B. Aufzugschächte oder Fundamentvertiefungen, in ihrer Bewegung eingeschränkt werden.[4]
Trotz dieser Maßnahmen ist die Wahrscheinlichkeit der Rissbildung noch immer vorhanden. Durch das Einbringen einer Vorspannung, welche den Beanspruchungen aus Last und Zwang entgegenwirkt, kann diese Wahrscheinlichkeit weiter verringert werden.[1]
Wände
Allgemeines
Meistens werden die Wände eines Bauwerkes auf die bestehende Sohlplatte bzw. das bestehende Fundament in einem zweiten Arbeitsschritt betoniert. Durch die Rauigkeit der Verbundfuge und die durchgehenden Bewehrung entsteht eine schubfeste Verbindung der beiden Bauteile.
Behinderungsgrad
Durch diese schubfeste Verbindung werden Verformungen behindert und es kann ein Behinderungsgrad definiert werden. Bei einer nur am Fuß aufgelagerten, freistehenden Wand nimmt die Verformungsbehinderung und damit auch der Behinderungsgrad über die Wandhöhe ab, sodass von einem äußeren (am Wandfuß auftretenden) und einem inneren (sich über die Wandhöhe verringernden) Behinderungsgrad gesprochen wird. Da der äußere Behinderungsgrad von den Steifigkeiten des behindernden und des behinderten Bauteils abhängig ist, verringert er sich mit dem Anwachsen des Elastizitätsmoduls und damit der Steifigkeit bei der Erhärtung des behinderten Bauteils. Der innere Behinderungsgrad verändert sich bei einer freistehenden Wand über die Wandhöhe und wird durch die äußere Behinderung beeinflusst.
In wie weit sich der innere Behinderungsgrad über die Wandhöhe ändert, hängt von dem Verhältnis der Wandlänge L zur Wandhöhe H ab. Bei einem kürzeren Wandabschnitt, also einem kleinen Verhältnis L/H, steigt der innere Behinderungsgrad bis zur Wandmitte parabelförmig an und fällt danach bis zum Ende des Wandabschnittes wieder ab. In Wandmitte ist die freie Verformung des Wandkopfes am geringsten, daher der größere Behinderungsgrad. An den freien Rändern des Wandkopfes kann sich eine relativ große Verformung einstellen, sodass hier der Behinderungsgrad einen kleinen Wert annimmt. Bei einem größeren Verhältnis L/H weitet sich der Bereich mit dem größeren inneren Behinderungsgrad über die Wand aus.[1]
Spannungsentstehung
Treten nun Beanspruchungen wie das Abkühlen des Bauteils infolge des Abfließens der Hydratationswärme oder das Bauteilschwinden auf, führt die Verformungsbehinderung an der Verbundfuge zu Zwangsbeanspruchungen. In der Wand entstehen Zwangszugspannungen, die in der Sohlplatte Druckspannungen erzeugen. Am Wandfuß erreichen die Zugspannungen ihr Maximum und nehmen über die Wandhöhe aufgrund des verringerten Behinderungsgrades ab. Die Größe der Zugspannung am Wandkopf hängt genau wie der innere Behinderungsgrad von dem Verhältnis der Wandlänge zur Wandhöhe L/H ab.[3]
Mit steigendem Verhältnis L/H nehmen auch die Zwangsspannungen am Wandkopf zu. Ab einem Verhältnis der Wandlänge zur Wandhöhe von L/H > 10 verringern sich sowohl der innere Behinderungsgrad als auch die Zugspannungen über die Wandhöhe nicht mehr.[2]
Beim theoretischen Ansatz einer steifen Sohlplatte werden neben den horizontalen Kräften, die in der Verbundfuge entstehen, auch vertikale Kräfte mobilisiert, die eine Verkrümmung der Wand verhindern. Zusätzlich zu den vertikalen entstehen hierbei horizontale Trennrisse im Bereich der Arbeitsfuge. Da die Sohlplatte in der Praxis jedoch eine geringere Steifigkeit hat, verringern sich die horizontalen und die vertikalen Spannungen. Dadurch ist die Wahrscheinlichkeit der Entstehung von horizontalen Rissen geringer und die Rissbreite der vertikalen Trennrisse nimmt ab.[1]
Rissbildung
Durch den Verbund mit der Sohlplatte kann es in der Wand nur dann zur Rissbildung kommen, wenn auch in der Sohlplatte Risse entstehen. Da die Zugfestigkeit und der Elastizitätsmodul der Sohlplatte beim nachträglichen Betonieren der Wand jedoch höher sind, entstehen zunächst Anrisse am Wandfuß bis in ungefähr einem Viertel der Wandhöhe. Aufgrund des Verbundes mit der Sohlplatte weisen diese Anrisse nur eine geringe Breite auf und gelten als unbedenklich.[2]
Durch das Ansteigen des Verhältnisses L/H breitet sich über der gesamten Wand ein rissgefährdeter Bereich aus. Wird die Zugfestigkeit des Betons überschritten, bildet sich zuerst ein Trennriss in Wandmitte aus, der bei L/H > 8 und einer vollständigen Krümmungsbehinderung (schlanke, niedrige Wand auf einer Sohlplatte mit großer Steifigkeit und großen Abmessungen) über die gesamte Wandhöhe verläuft. Bei einem ausgeglichenen Verhältnis der Steifigkeiten zwischen Wand und Sohlplatte verringert sich die Länge der Risse auf ungefähr zwei Drittel der Wandhöhe. Kehrt sich das Steifigkeitsverhältnis um, hat man also eine sehr dünne oder nachgiebige Sohlplatte, verlaufen die Risse nur noch im unteren Bereich der Wand.[1]
Der erste Trennriss teilt die Wand in zwei Abschnitte mit einem geringeren Verhältnis der Wandlänge L zur Wandhöhe H. Die Rissbildung verringert die Bauteilsteifigkeit, trotzdem können bei weiterer Überschreitung der Bruchdehnung oder der Zugfestigkeit des Betons erneut Risse entstehen. Das typische Rissbild der Wand stellt sich ein, wenn sich das Bauteil an der Sohle nicht und am Kopf nur in geringem Maße verformen kann. In Wandmitte sind die Risse am längsten und zum Rand der Wand werden sie kürzer und neigen sich nach außen. Vergrößert sich das Verhältnis L/H oder existiert eine seitliche Verformungsbehinderung der Wand, verlaufen die Risse weniger stark geneigt.[1]
Durch die Anordnungen von Öffnungen oder Querschnittsänderungen, an denen Spannungskonzentrationen auftreten, wird das Rissbild zusätzlich beeinflusst.
Bewehrung
Über das Verhältnis der Wandlänge zur Wandhöhe L/H lässt sich die Länge der Risse beeinflussen. Bei geringem Verhältnis L/H verlaufen die Risse mit großer Wahrscheinlichkeit nicht vom Wandfuß bis zur Wandkrone durch, sodass die Bewehrung über die Wandhöhe abgestuft eingelegt werden kann.
Zusätzlich zu dieser Abhängigkeit kann eine Wand in drei Bereiche schematisch nach dem nebenstehenden Bild eingeteilt werden. Die Einteilung in die unterschiedlichen Bereiche erfolgt über das jeweilige Dehnungsverhalten infolge der Zwangsbeanspruchung.[1]
Durch die schubfeste Verbindung entstehen im Bereich des Wandfußes zunächst Anrisse mit geringer Breite, die sich gleichmäßig über die Wandlänge verteilen. Das Einlegen einer verringerten Mindestbewehrung ist in diesem Bereich ausreichend.
Zwischen dem Wandfuß und dem Wandkopf bildet sich ein Bereich aus, der durch die maximale Zwangsspannung beansprucht wird (dargestellt durch Bereich 1). Dieser Bereich orientiert sich am Verlauf des inneren Behinderungsgrades über die Wandlänge. Vereinfacht kann ein Trapez oder Dreieck bis zu einer Höhe von ungefähr 0,1∙L zugrunde gelegt werden. Die hier entstehenden maximalen Rissbreiten müssen durch die Mindestbewehrung begrenzt werden.
Wird eine Wand durch andere vorher betonierte Wände behindert, treten in der betrachteten Wand zusätzliche Zwangsbeanspruchungen auf und der Bereich 1 erweitert sich um den Bereich 2.
Da bei einem geringen Verhältnis L/H der Behinderungsgrad über die Wandhöhe abnimmt und die Zwangsspannungen am Wandkopf gegen Null gehen, reicht im Bereich 3 eine verringerte Mindestbewehrung zur Rissbreitenbegrenzung aus.
Bei der Ermittlung der Mindestbewehrung noch der DIN EN 1992-1-1[5] wird eine Beanspruchung durch zentrischen Zwang oder Biegung und der volle Behinderungsgrad über die gesamte Wandhöhe angenommen. Dies führt zu einer Überbemessung der Bewehrung.[1]
Decken
Neben Sohlplatten und Wänden können auch in Deckenplatten wesentliche Zwangsbeanspruchungen auftreten.
Decken mit geringer Bauteildicke werden hauptsächlich durch das Schwinden und Temperaturänderungen im Tages- oder Jahresverlauf beansprucht. Erst bei größeren Bauteildicken treten auch Beanspruchungen aus dem Abfließen der Hydratationswärme auf, die nicht zu vernachlässigen sind.
Die entstehenden Zwangskräfte sind durch die Anordnung der Festpunkte, also Treppenhauskerne, Stützen und aussteifende Wände und die Anordnung der Arbeitsfugen beeinflussbar. In Geschossdecken, die durch Festpunkte an ihrer Verformungsmöglichkeit gehindert werden, treten vorwiegend zentrische Zwangsspannungen auf. Außermittige Zwänge treten zusätzlich in großflächigen Deckenplatten auf, wenn diese mit anderen Baukörpern verbunden sind.
In den Ecken der Deckenkonstruktion kann es zu besonders hohen Spannungskonzentrationen kommen, wenn die Deckenplatte allseitig gezwängt bzw. allseitig eingespannt ist. Dies kann zu einer schrägen Rissbildung führen, die die Ecke vom Rest der Platte abtrennt.[1]
Die Größe der Zwangskräfte nimmt vom Plattenrand zu den Festpunkten zu. An Arbeitsfugen bilden sich zuerst Risse aus, da die Zugfestigkeit zwischen dem "alten" und dem "neuen" Beton im Allgemeinen geringer ist, als im Bauteil selbst.
Quellen
- Fachliteratur / Normen
- ↑ 1,00 1,01 1,02 1,03 1,04 1,05 1,06 1,07 1,08 1,09 1,10 1,11 1,12 1,13 1,14 1,15 1,16 1,17 Röhling, S.; Meichsner, H.: Rissbildung im Stahlbetonbau. Ursachen - Auswirkung - Maßnahmen. Stuttgart 2018
- ↑ 2,0 2,1 2,2 2,3 2,4 2,5 Baar, S.; Ebeling, K.: Lohmeyer Stahlbetonbau. Bemessung - Konstruktion - Ausführung. 10.Auflage. Wiesbaden 2017
- ↑ 3,0 3,1 3,2 3,3 3,4 Lohmeyer, G.; Ebeling, K.: Weiße Wannen - einfach und sicher. Konstruktion und Ausführung wasserundurchlässiger Bauwerke aus Beton. 11. überarbeitete Auflage. Düsseldorf 2018
- ↑ 4,0 4,1 4,2 Lohmeyer, G.; Ebeling, K.: Weiße Wannen - einfach und sicher. Konstruktion und Ausführung wasserundurchlässiger Bauwerke aus Beton. 9. überarbeitete und erweiterte Auflage. Düsseldorf 2009
- ↑ 5,0 5,1 DIN EN 1992-1-1 Bemessung und Konstruktion von Stahlbeton- und Spannbetontragwerken. Teil 1-1: Allgemeine Bemessungsregeln und Regeln für den Hochbau mit Nationalem Anhang. Beuth Verlag GmbH 2016
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